
Die Einladung zu einer Vollversammlung der Wohnungseigentümer ist manchmal wie das Aufbrechen eines Ameisenhaufens. Plötzlich ist alles in Bewegung, die Nachbarn rennen aufeinander zu, die Zahl der Mitteilungen zwischen ihnen steigt um ein Vielfaches. So geschah es auch mit den Bewohnern des Hauses Nr. 25 in der Noworjasanskaja-Straße.
Man kann die Wohnungsbesitzer aus diesem alten Moskauer Haus verstehen: Der Wortlaut der Einladung zur Versammlung, die das staatliche Unternehmen Schilischchnik veranstaltete, war alles andere als beruhigend. Bedrohlich klang war beispielsweise die Frage, ob die Bewohner bereit seien, auf eigene Kosten kapitalkräftige Reparaturen am Haus vorzunehmen, wenn das als Objekt im Notzustand erkannt wird. Wenn dies passiert und die Hausbewohner es nicht renovieren können, müssen sie in neuen Wohnungen umsiedeln. Und das wollen viele Wohnungsbesitzer nicht. Sie finden, das solides Gebäude aus dem Jahr 1910 sei noch in gutem Zustand. Als Beweis dafür zeigen sie das Ergebnis des staatlichen Gutachtens.
Olga
Olga erzählte der MDZ, warum die Leute nicht in eine neue Wohnung in einem sehr guten Stadtteil ziehen wollen. Sie wohnt erst seit vier Jahren in diesem Haus, aber sie hat sich schon sehr an den Ort gewöhnt. Sie ist mit allem zufrieden: mit der geringen Anzahl von Nachbarn, der Atmosphäre des vorrevolutionären Gebäudes und vor allem mit den 3,5 Meter hohen Decken. Außerdem hat sie beim Einzug in ihre 69 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung umfangreiche Renovierungsarbeiten vorgenommen. Da sie Innenarchitektin ist, hat sie alles nach ihrem Geschmack eingerichtet, alles wurde bis ins Detail durchdacht. Das steht im krassen Gegensatz zur Ausführung der neuen Wohnungen.
Anna
Doch nicht alle Bewohner des Hauses wollen darin bleiben. Eine der Unzufriedenen ist Anna. Sie besitzt eine sehr kleine Wohnung, nur 22 Quadratmeter. Zudem gibt es in ihrer Wohnung keine Toilette, sie befindet sich im Treppenhaus – eine Folge der chaotischen Aufteilung der großen vorrevolutionären Wohnungen in kleine Apartements. Annas Ziel, aus ihrer kleinen Stube irgendwie mit ihrer Familie in zwei separaten Wohnungen zu ziehen, ist nicht realisierbar. Eine solche Immobilie wird sich kaum verkaufen lassen. Aber es ist auch fast unmöglich, in dieser Wohnung zu leben, denn im Stockwerk darüber wohnt Alexander.
Alexander
Wohnungen im Zentrum Moskaus sind nicht billig, sie werden von Leuten gekauft, die wohlhabend sind und sich schon ein wenig an den Komfort gewöhnt haben. Aber in jedem Altbau gibt es mindestens eine Wohnung, in der die alten Mieter noch wohnen. Alexander und seine Familie würden gerne umziehen, aber seine Wohnung ist das Geld nicht wert, mit dem man das Problem lösen könnte. Außerdem handelt es sich bei dieser Wohnung nicht um eine private, sondern um eine kommunale Wohnung. Solche Wohnungen sind oft eine Quelle von Problemen für die Nachbarn. So auch in diesem Fall: Wegen defekter Rohrleitungen überschwemmt Alexander regelmäßig die Nachbarn im Erdgeschoss.
Alik
Kein Wunder, dass Anna mit allen Mitteln versuchen will, das Haus zu verlassen, einschließlich der Möglichkeit, das ganze Haus als baufällig anzuerkennen. Aber wenn die Mehrheit dagegen ist, hat sie kaum eine Chance. Die Eigentümerversammlung in einem separaten Hof funktioniert immer noch nach demokratischen Verfahren: Die für das Haus wichtigen Fragen werden durch Abstimmungen entschieden. Es sei nur darauf hingewiesen, dass bei der Abstimmung nicht die Zahl der Stimmberechtigten berücksichtigt wird, sondern die Fläche der Wohnräume, die ihnen gehören. In Anbetracht dieses Umstandes reduziert sich die Abstimmung praktisch auf die Entscheidung einer Person, und zwar Alik. Ihm gehören nicht nur Wohnungen im Haus, sondern auch ein Laden. Alik möchte natürlich nicht umziehen. Er und andere Zwangsräumungsgegner haben sich auf die vom kommunalen Unternehmen initiierte Versammlung vorbereitet.
Alle zusammen plus Unbekannten
Die Wohnungseigentümer weigerten sich einstimmig, in der Versammlung abzustimmen, bis die Vertreter des Kommunalunternehmens die Unterlagen vorlegen, auf deren Grundlage die Frage des technischen Zustands des Gebäudes gestellt wird. Die Initiatoren der Versammlung verfügten nicht über solche Papiere. Aber eine Mitarbeiterin der Bezirksverwaltung deutete im Gespräch mit den Bewohnern an, dass einige Leute mit Verbindungen ein Auge auf ihr Haus geworfen haben. Ob demokratische Verfahren gegen die Ansprüche dieser Unbekannten helfen werden, bleibt noch offen.
Igor Beresin