Das Schlachtfeld von Morgen

Die NATO erklärt das Weltall zu ihrem fünften offiziellen Einsatzgebiet und begründet das auch mit russischen Aktivitäten. Welche Rolle spielt das Weltall im neuen Ost-West-Konflikt?

Das X-73B „Weltraumflugzeug“ zählt zu den neuesten Waffen der Vereinigten Staaten. Über seine Fähigkeiten herrscht weitestgehend Unklarheit. (Foto: Wikicommons)

In geradezu beiläufiger Weise erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf der Türschwelle des NATO-Hauptquartiers Ende November, dass er von den Außenministern des Bündnisses erwarte, den Weltraum zum offiziellen Einsatzgebiet der Militärallianz zu erklären. Dies kam wenig überraschend. Schließlich hatten die wichtigen Mitgliedsstaaten USA und Frankreich dieses Jahr bereits damit begonnen, eigene Teilstreitkräfte zu schaffen und so mehr Aufmerksamkeit auf den Weltraum zu richten. Beide Staaten verwiesen bei ihrer Entscheidung auf gestiegene Investitionen von Russland und China im All. Neben dem symbolischen Wert erlaubt dieser Schritt den Mitgliedern der NATO, bald für Angriffe im Weltall den Bündnisfall anzurufen und die bisher getrennten Weltraumprogramme besser zu koordinieren.

Etwa die Hälfte aller Satelliten in Besitz der USA

Im Herzen der Sicherheitspolitik im Weltraum stehen Satelliten. Sie sind für die Aufklärung und Kommunikation eines modernen Militärs unersetzbar. Insbesondere die USA sind für ihre weltweiten Einsätze von Drohnen und Marschflugkörpern auf sie angewiesen und besitzen etwa die Hälfte aller aktiven militärischen Satelliten. Dazu kommt die breite zivile Nutzung etwa zur Navigation von Flugzeugen oder für die Übertragung von Fernsehen. Deshalb werden Satelliten als kritische Infrastruktur gesehen.

Hauptziel der NATO ist daher der Schutz der eigenen Satelliten, so Stoltenberg. US-Präsident Donald Trump betonte dagegen, auch die amerikanische Dominanz im Weltall sichern zu wollen. Dazu konzentriert sich das US-Militär einerseits auf eine bessere Überwachung des Weltraums und auf eigene Abschreckungskapazitäten, um jegliche Angriffe zu verhindern. Andererseits versucht es sicherzustellen, dass auch im Krisenfall eigene Satelliten verlässlich arbeiten, etwa indem vorhandene Satelliten im Falle eines Angriffs neu positioniert werden können oder doppelte Strukturen für unersetzbare Funktionen geschaffen werden.

Russlands GLONASS gegen das US-amerikanische GPS

Zu weiten Teilen verfolgen die russischen Weltraumtruppen, die seit 2015 organisatorisch mit der Luftwaffe verbunden sind, ähnliche Ziele. Sie versuchen, ihre Infrastruktur zu schützen und zu verbessern. Das russische Navigationssystem GLONASS ist beispielsweise bisher sehr teuer und nicht so effizient wie das amerikanische GPS. Es wurden sogar Fälle bekannt, in denen das russische Militär kommerzielle Navigationsgeräte benutzte, die auf dem Konkurrenten GPS beruhen. Vor allem aber Russland hat die starke Abhängigkeit des westlichen Militärs von Satelliten bemerkt – und sucht nach Möglichkeiten, daraus eine Schwäche zu machen, ähnlich wie China und andere Staaten, die sich geopolitisch in Konflikt mit den USA befinden, erläutert Pawel Lusin, Analyst russischer Verteidigungspolitik. Die wichtigste Rolle hier spielt die Blockierung von GPS-Signalen in militärischen Einsatzgebieten. Diese Fähigkeiten demonstrierte Russland etwa bei der Militärübung Sapad 2017, als es intensiv die elektronische Kommunikation und Navigation eigener Truppen störte.

Die tatsächliche Zerstörung von Satelliten spielt dagegen bisher keine große Rolle. Zwar haben alle militärisch führenden Staaten demonstriert, dass sie niedrig fliegende Satelliten etwa bis 3000 Kilometer Höhe ohne Probleme treffen können. Dies hätte jedoch nur sehr begrenzten militärischen Nutzen, da einzelne Satelliten keine strategische Bedeutung haben und geostationären Satelliten in circa 36 000 Kilometer Höhe schwerer zu treffen sind. Wichtiger noch, warnt Professor Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg: „Eine Kollision im Weltraum erzeugt eine große Anzahl an Trümmern. Durch ihre hohe Eigengeschwindigkeit und geringe Größe wäre das eine unkontrollierbare Bedrohung für viele andere Satelliten.“ Deshalb werden andere Technologien entwickelt, die weniger drastisch und damit eher einsetzbar sind. Hierzu zählt etwa, Sensoren mit Lasern zu stören oder die Annäherung an andere Satelliten, um ihre Solarflügel zu beschädigen.

Ein zweischneidiges Schwert

Hier zeigt sich, warum es besonders schwierig ist, Konflikte im Weltall zu regulieren. Denn neue Technologie kann fast immer zivil und militärisch genutzt werden. So ist die Herausforderung etwa sehr ähnlich, sich einem Satelliten zu nähern, egal ob man ihn reparieren oder beschädigen will. Was als bedrohlich angesehen wird, hängt vor allem davon ab, ob sich die beiden Seiten vertrauen. Jedoch sind die globalen Beziehungen im Moment stark von Spannungen geprägt. Damit sind vertrauensbildende Maßnahmen wie die Offenlegung von Technologie unwahrscheinlich. Stattdessen setzen alle Staaten auf militärische Mittel, um ihre Satelliten zu schützen.

Lucian Bumeder

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