„Das macht einen einfach stolz“

Von der quirligen Innenstadt in die luftige Höhe eines Wolkenkratzers - das Wirtschaftsministerium hat in Moskau City ein neues Zuhause gefunden. Eine Mitarbeiterin der Behörde erzählt, wie der Umzug die Arbeit in ihrem Haus verändert hat und warum Moskau City eine Gelegenheit zur Modernisierung sein kann.

Moskau City
Überragend: Moskau City im Kontrast zur „alten“ Stadt © Lucian Bumeder

Moskau City sollte einst die Stadt der Zukunft sein, ein modernes Stadtzentrum, dass sich mit den Glitzerwelten anderer Metropolen messen kann. Seit nunmehr fast 15 Jahren wird an den Hochhäusern des Geschäftsviertels gebaut. So richtig füllen wollten sich die exklusiven Büros aber lange Zeit nicht. Im diesem Frühjahr beschloss die russische Regierung, Ministerien nach Moskau City umzusiedeln. Mit der Konzentration an einem Ort soll die Effektivität der Verwaltung erhöht werden. Den Anfang machte unter anderem das Wirtschaftsministerium, das gemeinsam mit anderen Behörden den „Federazija“-Tower bezog. Wie arbeitet es sich in dem Viertel, welches  für viele Moskauer immer noch ein Fremdkörper ist? Eine junge Mitarbeiterin des Wirtschaftsministeriums, die seit mehreren Jahren für die Regierung tätig ist, hat der MDZ einen Einblick gegeben. Aus persönlichen Gründen möchte sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.    

Der Umzug ist auch eine Chance   

Der Umzug hat unser Ministerium schon radikal verändert. Früher waren wir über drei Gebäude verteilt und jeder hatte ein Zimmer mit zwei oder drei Kollegen für sich. Jetzt haben wir offene Büros. 200 Menschen teilen sich einen Raum und es gibt moderne, elegante Möbel. Das ist ein riesiger Unterschied und verändert auch unsere Arbeit. Es herrschen viel mehr Offenheit und Transparenz. Man sieht, ob die einzelnen Menschen arbeiten und auch was sie arbeiten. Früher konntest du einfach deine Tür schließen und niemand wusste, was du eigentlich genau machst während deiner Arbeitszeit. Für mich ist das ein Schritt in die Zukunft. Eine Zukunft, in der die Regierung nicht mehr eine so verschlossene Institution ist. 

Ich glaube tatsächlich, dass die neue Arbeitsumgebung eine Chance ist, etwas zu überdenken. Das Gebäude selbst verändert einfach die Art und Weise, wie Menschen denken. Für mich fühlt es sich so an, als wäre unsere Arbeit insgesamt schneller und effektiver. Probleme kann ich im persönlichen Gespräch direkt und ohne Missverständnisse klären. Durch das offene Büro bekommt man eh schon viel besser mit, woran die anderen gerade arbeiten. Manchmal wird so auch gleich verhindert, dass überhaupt Fehler entstehen. Einfach nur weil man im Hintergrund etwas mithört und direkt eingreifen kann. Das ist auf jeden Fall ein großer Fortschritt. Selbst zwischen den Ministerien läuft die Verständigung besser, weil wir jetzt im selben Gebäude sind. Man verschwendet nicht mehr so viel Zeit damit, zwischen verschiedenen Orten hin- und her zu fahren, sondern trifft sich einfach ein paar Stockwerke tiefer.

Moskau City
Moderne Architektur für eine moderne Arbeitswelt © Lucian Bumeder

Nicht jeder kommt mit den neuen Bedingungen zurecht

Sicher, es ist deutlich lauter. Das muss man schon mögen. Ein bisschen extrovertiert und kommunikativ zu sein, hilft ungemein. Aber bei uns im Ministerium arbeiten ohnehin viele junge Menschen. Auch unser Minister ist jung, gerade einmal 37. 

Die Alten hassen das neue Gebäude. Sie verstehen das Prinzip des Open Office nicht. Aber für uns Junge ist es toll. Wir arbeiten viel, da fühlt sich allein der schöne Ausblick wie Anerkennung an. Wir können hoch bis in den 41. Stock. Aber auch direkt aus dem Büro hat man schon eine wunderbare Sicht auf Moskau. Das macht einen einfach stolz. Gerade nachts ist es beeindruckend. Die meisten Alten gehen ja um 18 Uhr. Aber die Welt hat sich verändert. Wir bleiben viel länger. Nicht von 9 bis 6, sondern bis die Arbeit erledigt ist. Das geht manchmal auch bis tief in die Nacht. Da ist es einfach eine Motivation, wenn man was so was Schönes aus dem Fenster sieht. 

Denn die Bezahlung ist nicht gut – mit meiner Ausbildung und Erfahrung könnte ich fast das Zehnfache verdienen, wenn ich für eine private Firma direkt nebenan arbeiten würde. Wir Leute von der Regierung haben sogar eine Karte, mit der wir bei vielen Restaurants und Supermärkten in Moskau City Rabatte bekommen. Weil jeder weiß, dass man bei der Regierung nicht viel Gehalt bekommt. Irgendwelche luxuriösen Restaurants in den oberen Etagen kommen gar nicht erst in Frage. Aber das Ministerium hat viele spannende internationale Projekte. Deshalb arbeite ich hier. Und das moderne Büro, die gute Aussicht, die großen Fenster – auf jeden Fall wie ein Upgrade gegenüber dem alten Gebäude.

Schönes Altes fällt weg – Schlechtes Altes bleibt 

Ein paar Dinge vermisse ich schon aus unserem alten Haus. Früher war ich sehr zentral in Moskau. Da war nicht nur meine Anfahrt kürzer. Man konnte auch wunderbar spazieren gehen. Nur ein paar Minuten und ich war am Roten Platz. Wir haben uns häufig nach der Arbeit noch in einem Restaurant zum Essen getroffen. Das war wichtig für das Teambuilding und geht jetzt leider nicht mehr so. Und ich verliere im Moment viel Zeit, weil ich Menschen in einem großen Raum suche. 

Deutlich schlimmer sind aber weiterhin die Bürokratie und die starken Hierarchien. Es dauert einfach lange, bis Entscheidungen getroffen werden. Wie viel Zeit ich für ein Problem brauche, hängt häufig in erster Linie davon ab, wie viele Vorgesetzte ich irgendwo unterschreiben lassen muss. 

Dennoch glaube ich, dass es für die anderen Ministerien eine Chance ist, nach Moskau City zu ziehen. Das Gebäude kann verändern, wie das Ministerium funktioniert. Es ist offener, transparenter und dadurch werden Projekte mehr Erfolg haben. Auch die Atmosphäre ist besser, viel freundlicher. Ich bin froh über den Ort, an dem ich arbeite.

Aufgezeichnet von Lucian Bumeder.

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