Das erklärungsbedürftige Experiment

Am 1. September wurde in Russland die zweite Phase des Pilotprojekts zur Einführung des digitalen Rubels gestartet. Laut Zentralbank wird das Instrument unter anderem das Geld der Menschen besser vor Betrügern schützen. Einige Experten weisen darauf hin, dass das Experiment – obwohl die Zentralbank sagt, dass die tatsächliche Verwendung des digitalen Rubels bereits 2025 beginnen könnte – viel länger dauern könnte.

Das Logo des digitalen Rubels
Die Zahlung in digitalen Rubeln wird über die App der Bank möglich sein. (Foto: AGN Moskwa)

40 000 Transaktionen in einem Jahr

Vor einem Jahr wurde in Russland ein Pilotprojekt mit dem digitalen Rubel gestartet. In dieser Zeit wurden fast 40 000 verschiedene Transaktionen mit der digitalen Landeswährung durchgeführt: Die Versuchsteilnehmer tätigten mehr als 30 000 Überweisungen und bezahlten etwa 9000 Mal für Waren und Dienstleistungen. Diese Ergebnisse wurden von der Zentral­bank veröffentlicht.

Der digitale Rubel ist eine neue Form des Geldes, die unabhängig von der Bank, bei der das Konto eröffnet wurde, gleichberechtigt mit Bargeld und bargeldlosen Zahlungsmitteln verwendet werden kann. Die Behörden kündigten die Entwicklung dieses Projekts bereits im Jahr 2020 an. Im August 2023 trat das Gesetz über die Einführung der elektronischen Währung in Russland in Kraft.

In der ersten Phase waren 22 Unternehmen und etwa 600 Personen aus dem Kreis der Mitarbeiter von 12 staatlichen und privaten Banken an dem Pilotprojekt beteiligt. Sie testeten das Öffnen und Schließen digitaler Wallets, deren Auffüllung und Überweisungen zwischen Privatpersonen, automatische Zahlungen sowie die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen. Seit dem 1. September ist die Zahl der Teilnehmer auf 9000 und die der Unternehmen auf 1200 gestiegen. Auch die Funktionalität der Vorgänge wurde erweitert: Überweisungen zwischen juristischen Personen und Zahlungen per dynamischem QR-Code sind jetzt möglich.

Keine neuen Banken vorerst

Die geplante Erweiterung der Anzahl der Banken, die an der zweiten Phase des Pilotprojekts teilnehmen sollten, kam jedoch nicht zustande. Zuvor hatte die Zentralbank angekündigt, dass 19 weitere Banken bereit seien, sich an dem Pilotprojekt zu beteiligen. Doch dieselben 12 Banken, die an der ersten Phase teilgenommen hatten, werden vorerst auch die neuen Aufgaben bewältigen müssen.

Die größte staatliche Bank, die Sberbank, gehörte zu den Banken, die sich zuvor bereit erklärt hatten, an dem Experiment teilzunehmen. Allerdings sind die Verantwortlichen der Bank bisher über Worte nicht hinausgekommen. Außerdem äußerte Sberbank-Chef German Gref im Jahr 2020 Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Einführung eines digitalen Rubels. Er sagte damals, dass die Einführung des digitalen Rubels zu einem Abfluss von 2 bis 4 Billionen bargeldlosen Rubeln aus dem Bankensektor führen würde, die in die digitale Form übergehen. Und das dies zu steigenden Zinsen führen wird.

Eine kostspielige Sache

Einigen Experten zufolge könnte die Nichtbeteiligung neuer Banken an dem Pilotprojekt darauf zurückzuführen sein, dass es für sie mit erheblichen Kosten verbunden ist. Sie glauben, dass nicht alle Banken bereit sind, in der Pilotphase zu investieren, und dass die meisten Akteure aufgrund des geschlossenen Charakters des Projekts lieber bis zur praktischen Phase warten würden. Die Kosten einer Bank für die Einführung des digitalen Rubels könnten sich auf 200–300 Millionen Rubel belaufen (etwa 2–3 Millionen Euro). Diese Schätzung wurde Mitte Februar 2024 von Yakov&Partners (ehemalige russische Tochtergesellschaft von McKinsey) geäußert. Wie die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf diese Studie berichtete, hat eine der am Pilotprojekt des digitalen Rubels teilnehmenden Banken bis Mitte Februar 2024 bereits 150 Millionen Rubel investiert. Die Mittel wurden hauptsächlich für den Aufbau der Informationssicherheit und die Schaffung eines Gateways zur Zentralbank verwendet. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass sich die Kosten für größere Banken um ein Vielfaches erhöhen können.

Die Bevölkerung ist misstrauisch

Die geplante Innovation weckt derzeit wenig Vertrauen auch in der Bevölkerung des Landes. Nach Angaben des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM weiß heute die Mehrheit (68 Prozent) der Befragten von den Plänen der Behörden, den digitalen Rubel in großem Maßstab einzuführen. Gleichzeitig möchte nur jeder dritte Einwohner des Landes (31 Prozent) den Umgang mit der digitalen Landeswährung ausprobieren, während der Großteil der Menschen (59 Prozent) von der Verwendung der neuen Geldform absehen würde – vor allem, weil die Menschen die Vorteile und das Funktionsprinzip nicht wirklich verstehen, heißt es in der Studie.

Die Zentralbank hält diese Skepsis für natürlich und erinnert daran, dass die Verwendung des digitalen Rubels völlig freiwillig sein wird. Laut Zentralbankchefin Elwira Nabiullina brauchen die Menschen mehr Erklärung, und wenn sie die Innovation in der Praxis ausprobieren, werden sie ihre Vorteile erkennen können.

Alexej Karelski

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