Mozzarella aus Kostroma bei Moskau oder Serrano-Schinken aus dem abgelegenen Jalutorowsk in Westsibirien: Seit fünf Jahren müssen russische Erzeuger und Produzenten zeigen, dass Klassiker der mediterranen Küche auch in kälteren und weiter nördlich gelegenen Breiten gelingen können. Denn die Spezialitäten aus Italien und Spanien dürfen nicht mehr nach Russland importiert werden. Die Verbraucher müssen stattdessen auf einheimische Varianten zurückgreifen. Grund dafür ist das sogenannte Lebensmittel-Embargo, das in diesem August seit genau fünf Jahren in Kraft ist.
Embargo als Chance für Wachstum
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte ein entsprechendes Gesetz zur Beschränkung der Einfuhr einer breiten Palette von Lebensmitteln aus den USA, der EU, Australien, Kanada und Norwegen im Sommer 2014 unterzeichnet. Unter das Embargo fallen unter anderem Rind- und Schweinefleisch, Geflügel, Fisch-, Meeres- und Milchprodukte sowie Obst und Gemüse. In einem zweiten Schritt erweiterte Russland 2015 die Reihe der betroffenen Länder auf Albanien, Liechtenstein, Island, Montenegro und die Ukraine.
Mit dem Embargo reagierte der russische Präsident offiziell auf eine Reihe von Sanktionen, welche die westlichen Staaten zuvor in Reaktion auf die Krim-Krise verhängt hatten. Darüber hinaus sollte der Schritt der russischen Landwirtschaft aber auch einen tüchtigen Wachstumsimpuls geben, war wiederholt von offiziellen Stellen zu vernehmen. Russische Produzenten und Bauern sollten mehr Käse, Wurst und Äpfel produzieren. Russia first, hieß die Devise.
Landwirtschaft feiert Erfolge
Doch wie wirksam ist das Embargo wirklich? Die offiziellen Daten zum fünften Jahrestag klingen zunächst beeindruckend. Mehr als 21 000 Tonnen verbotener Lebensmittel seien in den vergangenen Jahren bei der versuchten Einfuhr entdeckt und vernichtet worden, erklärte kürzlich Rustam Jakubow, Vize-Chef der russischen Zollkontrolle, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Auch das russische Landwirtschaftsministerium bewertete die seit fünf Jahren geltenden Beschränkungen als Erfolg. So habe sich seit 2014 die Einfuhr ausländischer Lebensmittel um rund ein Drittel verringert, ließ die Behörde in einer Pressemeldung verlautbaren. Bei Hülsenfrüchten, Getreide, Zucker, Fleisch und Pflanzenöl hätten die Ausfälle durch russische Erzeuger bereits ersetzt werden können. Insgesamt gesehen habe das Embargo der Entwicklung der russischen Agrarindustrie einen wichtigen Impuls gegeben.
Verbraucher müssen mehr zahlen
Dieser optimistischen Bewertung dürften allerdings nicht alle Russen zustimmen. Denn für die meisten Verbraucher bedeutet das Embargo vor allem steigende Preise. Seit Beginn des Embargos muss immer mehr für Grundnahrungsmittel hingelegt werden, Jahr für Jahr verteuerten sich die Produkte um zwei bis drei Prozent. Nur bei Kartoffeln ist der Preis in etwa auf dem gleichen Niveau geblieben. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Untersuchung des Marktforschungsunternehmens KPMG. Das Ziel der Selbstversorgung Russlands sei so zu einem hohen Preis erreicht worden.
Zudem habe das Embargo die Entwicklung der Landwirtschaft nicht wirklich beschleunigt. Die Zuwachsraten entsprächen nach wie vor dem jährlichen Durchschnitt, heißt es in der Studie. Nur die Milchwirtschaft habe vom Embargo profitiert und sich vor aggressiver Konkurrenz aus dem Ausland schützen können. Zudem seien die russischen Bauern nach wie vor auf Technik und Saatgut aus dem Ausland angewiesen.
Die Mehrheit steht zu Einfuhrverbot
Die Unzufriedenheit mit dem anhaltenden Preisanstieg beginnt auch an der Zustimmung zum Embargo zu nagen. Demnach halte jeder fünfte Russe das Einfuhrverbot mittlerweile für einen Fehler, schreibt beispielsweise die „Nesawissimaja Gaseta“. Die Ablehnung wachse stetig – allerdings liege die Zustimmung noch bei über 50 Prozent. Eine Umfrage der Stiftung „Öffentliche Meinung“ (FOM) kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach erwarten nur 27 Prozent der Bürger einen positiven Einfluss von den Handelsbeschränkungen auf die russische Wirtschaft. Vor fünf Jahren lag der Anteil der Unterstützer noch bei einem Wert von 40 Prozent.
Allerdings verdeutlichen Studien, dass das Embargo durchaus Druck auf die von ihm betroffenen Zulieferer entfaltet. So zeigt beispielsweise eine Untersuchung des Institutes für komplexe strategische Untersuchungen (IKSI), dass viele ausländische Exporteure ihre Ausfuhrquoten aus der Zeit vor der Krim-Krise nicht mehr erreichen konnten. So sei beispielsweise die Ausfuhrquote von australischem Speiseöl gegenwärtig um 63 Prozent niedriger als in der Zeit vor der Krise. Finnland exportiere 56 Prozent weniger Milchprodukte ins Ausland.
Embargo wird verlängert
Vorerst dürfte sich an diesem Trend für Verbraucher und Exporteure auch nichts ändern. Denn das Embargo soll zunächst bis 2020 gelten. Der Präsident unterzeichnete Anfang Juli ein entsprechendes Dekret.
Birger Schütz