Aufbruch und Avantgarde

Der „Bund der Jugend“ war Russlands erste avantgardistische Künstlervereinigung. Doch obwohl viele berühmte Maler der Gruppe angehörten, blieb sie weitgehend unbekannt. Ein Museum möchte das nun ändern.

Leuchtende Farben, wenige Linien, Abstraktion: Olga Rosanowas „Schmiede“ gehört zu den ersten Werken russischer Avantgarde-Kunst./Foto: jewish-museum.ru

Radikale Veränderungen, sich von der Vergangenheit lösen, keine ästhetischen Zwänge mehr: Dies forderten Anfang des 20. Jahrhunderts die Mitglieder des „Bundes der Jugend“. Die 1909 in St. Petersburg gegründete Gruppe war Russlands erste avantgardistische Künstlervereinigung und zählte so berühmte Talente wie Kasimir Malewitsch, Olga Rosanowa und Pawel Filonow zu ihren Mitgliedern. Zwischen 1910 und 1914 organisierte der Bund Ausstellungen, Theaterstücke, Opern sowie Debatten über Kunst und Literatur. Dennoch erhielt er nie große Aufmerksamkeit. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum und Zentrum für Toleranz gibt nun Einblicke in die Arbeit der Avantgardisten und wirft dabei auch ein Licht auf Werke bis heute praktisch unbekannter Künstler. In Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Russischen Museum in St. Petersburg trug das Museum dafür über 80 Werke von 35 Kunstschaffenden zusammen. Neben Gemälden sind auch Hefte mit Illustrationen und Entwürfe für die Kostüme und Bühnenbilder der ausgefallenen Performances der Gruppe zu sehen.

Zwischen ständiger Erneuerung und Labyrinthen

„Die Zukunft der Kunst ist die ständige Erneuerung.“ So formulierte die damals 23-jährige Malerin Olga Rosanowa das Motto des Bundes im Gründungsmanifest. Dies lässt sich nun auch in der Ausstellung nachvollziehen. Die Vielfalt der Motive und Stile zeigt, wie die Künstler die immer neuen, völlig unterschiedlichen Trends der damaligen Kunst zusammenbrachten. Da sind Pawel Filonows düstere, teils abgründige Bilder von verzerrten Gesichtern. Iosif Schkolnik bevorzugte leuchtende Farben oder Pastelltöne für seine urbanen Landschaften und Olga Rosanowas Frauenporträts strahlen Fröhlichkeit und Lebendigkeit aus. Der labyrinthartige Aufbau der Ausstellung irritiert nur zu Beginn ein wenig. Er wurde bewusst gewählt, um die Atmosphäre und den Stil früherer Präsentationen zu rekonstruieren. Dazu passen die Räumlichkeiten des Jüdischen Museums besonders gut. Denn die ehemalige Busgarage aus dem Jahr 1926 ist mit ihren Rundfenstern, hohen Decken und Backsteinwänden selbst ein bemerkenswertes Produkt der Avantgarde – und somit der ideale Ort für die Schau. Die Ausstellung ist noch bis zum 19. Januar des kommenden Jahres geöffnet. Der Eintritt für Erwachsene beträgt 300 Rubel.

Leonie Rohner

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