
Die dagestanische Stadt Derbent ist kürzlich häufig in den Schlagzeilen gewesen. So fand am 6. April in dieser Stadt am Kaspischen Meer eine Veranstaltung auf föderaler Ebene statt. Zumindest kann man das anhand der Liste der Gäste beurteilen. Wladimir Ostrowenko, stellvertretender Leiter der russischen Präsidialverwaltung, Sergej Melikow, Regierungschef von Dagestan, Suleiman Kerimow, Senator von Dagestan und einer der reichsten Männer Russlands, Ildar Aljautdinow, Mufti von Moskau, Berl Lazar, Oberrabbiner des Verbandes der jüdischen Gemeinden Russlands, orthodoxe Geistliche und Diplomaten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten waren gekommen, um an der offiziellen Vorstellung des Projekts „Kaukasisches Jerusalem“ teilzunehmen.
Die Sheikh-Zayed-Moschee in Abu Dhabi als Inspiration
Das Geistliche Zentrum „Kaukasisches Jerusalem“ soll ein grandioser Bau werden. Seine Autoren ließen sich von der Sheikh-Zayed-Moschee in Abu Dhabi inspirieren, einer der größten Moscheen der Welt. Das architektonische Erscheinungsbild der dagestanischen Version wird jedoch an die lokalen Traditionen angepasst. Die Baufläche der Moschee soll 2,7 Hektar betragen. Die 88 Kuppeln haben einen Durchmesser von 6 bis 22 Metern. Die Minarette des Geistlichen Zentrums werden 88 Meter hoch sein, womit das Gebäude das höchste in Dagestan sein wird.
Es geht jedoch nicht nur um die Größe des Bauwerks. Das Leitmotiv aller Reden bei der feierlichen Veranstaltung war der interreligiöse Frieden. Es ist kein Zufall, dass im „Kaukasischen Jerusalem“ neben der Moschee auch eine orthodoxe Kirche und eine Synagoge gebaut werden sollen.
Mit Liebe und Respekt
In seiner Begrüßungsrede wies der Mufti von Dagestan, Scheich Ahmad Afandi Abdulajew, darauf hin, dass „jeder Stein des alten Derbent ein Zeugnis dafür ist, wie der Glaube nicht durch Streit und Konflikte, sondern durch Respekt und Weisheit gestärkt wird“. Erzbischof Warlaam von Machatschkala und Derbent pflichtete ihm bei. Der orthodoxe Priester betonte, dass „der Bau einer Kirche, einer Moschee und einer Synagoge auf einem einzigen Gelände eine Botschaft an unsere Nachkommen ist, damit sie, wenn sie hierher kommen, um zu dem einen Gott zu beten, Frieden und Harmonie mitbringen“. Der Oberrabbiner Berl Lazar teilte ebenfalls seine Beobachtungen über das Zusammenleben der verschiedenen Religionen in der Republik mit. „Wie unsere Brüder hier in Dagestan leben, ist ein Märchen. Es ist kaum zu glauben, welche Art von Beziehungen, Liebe und Respekt es hier gibt, etwas, das wir in anderen Ländern leider nicht sehen“, erklärte er.
Diese Worte sind äußerst wichtig, vor allem jetzt, da die Erinnerung an das Pogrom auf dem Flughafen von Machatschkala im Oktober 2023, als ein wütender Mob nach Juden suchte, um sich an ihnen für die Ereignisse in Gaza zu rächen, noch frisch ist. Auch der brutale Mord an einem orthodoxen Priester in Derbent durch Islamisten gehört in diese Reihe.
Blasphemisch?
Selbst die Kritiker des Projekts haben diese Ereignisse nicht vergessen. Einige von ihnen sind der Meinung, dass der Bau einer Synagoge in Derbent geradezu blasphemisch ist, wenn „unsere Jungs“ wegen anti-israelischer Angriffe in Machatschkala vor Gericht stehen. Einige Kommentatoren sprechen in den ins Netz gestellten Videos von der Anwesenheit des Oberrabbiners Berl Lazar in Dagestan als einem Versuch, „ein zweites Gaza aus uns zu machen“. Ihrer Meinung nach ist auch die Entscheidung, eine weitere christliche Kirche in einer Republik zu bauen, in der 90 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, fragwürdig. Vielleicht war es die Erkenntnis, was die Alternative zu Frieden und Toleranz sein könnte, die Suleiman Kerimow dazu veranlasste, eine Menge Geld in ein grandioses Projekt in Derbent zu investieren.
Igor Beresin