Wladimir Putin: Im ewigen Interview

Wer will gerade was von Russlands Präsident Putin wissen – und wozu?

Präsident Putin im Interview mit den Journalisten von  „Le Figaro“ in Paris /Foto: Kremlin.ru

Gibt es überhaupt noch Fragen, die Wladimir Putin nicht gestellt wurden? Man muss schon eine Weile überlegen angesichts der Fragen-Flut der vergangenen Wochen. Auf die französische Tageszeitung „Le Figaro“ folgte der US-Filmemacher Oliver Stone und schließlich die jährliche Bürgerstunde „Direkter Draht“ im russischen Staatsfernsehen.

Auf Kuschelkurs: Oliver Stone

Für den größten Wirbel hat das Interview von Oliver Stone gesorgt. Zwischen Juli 2015 und Februar 2017 traf der US-amerikanische Regisseur den russischen Präsidenten immer wieder: im Kreml, beim Eishockey, im Auto, im Flugzeug. Entstanden sind vier 60-minütige Interview-Folgen, die Mitte Juni in den USA und Russland ausgestrahlt wurden. In Deutschland waren sie im Bezahlsender Sky zu sehen.

Stone stellt seine Fragen nach dem Gießkannenprizip. Es geht um Putins Eltern und Enkelkinder (man erfährt, dass er zwei hat), ebenso wie um Edward Snowden (er hätte seinen Job laut Putin besser einfach hinschmeißen sollen) und Unruhen im Kaukasus und Tschetschenien (verursacht von den Amerikanern, so der Präsident).

Auch die Hackerangriffe im US-Wahlkampf und der Krieg in der Ukraine werden angeschnitten. Aber eben nur das. Der dreifache Oscarpreisträger Stone ist zwar mit der Kamera immer ganz nah dran an Putin. Mit seinen Fragen dagegen kratzt er höchstens hin und wieder an der Oberfläche. Meistens streichelt er den Präsidenten damit eher.

Alternatives Weltbild

Die beiden sind sich weitgehend einig in ihrer Kritik am Verhalten der USA. Stone liefert Stichpunkte, Putin spult seine Positionen ab, die man auch anderswo schon hören konnte. Die Gespräche verraten wohl mehr über das Bemühen des Regisseurs, den amerikanischen Zuschauern ein alternatives Weltbild zu präsentieren, als sie Überraschendes über den Interviewten offenbaren.

Was hängen bleibt, sind banale Erkenntnisse: Putin und Obama waren am Telefon per Du. Der russische Präsident ist auch nur ein Mensch, der im Interview manchmal die Fingerspitzen in die Handflächen drückt. Und der sich beim Schwimmen allerlei Blödsinn durch den Kopf gehen lässt. Er hat im Kreml drei Arbeitszimmer und einen ganzen Tisch voller Telefone. Weniger neu, aber doch von vielen westlichen Medien aufgegriffen: Putin macht Witze auf Kosten von Frauen und Homosexuellen.

Es gab im Westen viel Kritik an Stones Film. Deutsche und amerikanische Medien warfen ihm vor, nicht kritisch genug mit Putin umgegangen zu sein. Aber das hat er gewiss einkalkuliert. Er werde leiden, sagt ihm Putin am Ende voraus. Das sei es ihm wert, entgegnet Stone, wenn es der Welt mehr Frieden und Verständnis bringe.

„Au revoir“: Le Figaro

Die liberal-konservative französische Tageszeitung „Le Figaro“ hat Wladimir Putin anlässlich dessen Besuch in Paris Ende Mai interviewt. Und gab dem Präsidenten zum Einstieg Gelegenheit, seine Geschichtskenntnisse zu beweisen. Auf die Frage nach den historischen und gegenwärtigen russisch-französischen Beziehungen unternimmt Putin einen Exkurs ins elfte Jahrhundert, um dann über Peter den Großen bei Emmanuel Macron zu landen.

Anschließend geht es um die selben Themen wie bei Stone. Teils haben die Antworten den gleichen Wortlaut: Er habe US-Präsidenten kommen und gehen sehen, aber die Politik habe sich nicht geändert, erklärt er zum Beispiel, „wegen der mächtigen Bürokratie“. Auch die Klage über die Nato-Osterweiterung hat man schon gehört, nicht nur bei Stone. Oder dass der Konflikt in der Ukraine vor allem ein innerukrainischer sei. Bei den Wahlen 2018 werde alles mit rechten Dingen zugehen, versichert Putin am Ende. Die Journalisten nicken zufrieden und bedanken sich brav. „Hoffentlich werden wir uns bald wiedersehen“, sagen sie und haben dem Präsidenten auch nicht mehr in die Mangel genommen als Stone.

Im Interview der Bürger: Direkter Draht

Vier Stunden zeigte das Staatsfernsehen am 15. Juni den „Direkten Draht“, die Bürgersprechstunde des Präsidenten. Die Zuschauer wollten zum Beispiel wissen, was die russischen Streitkräfte in Syrien erreicht haben, ob die Rezession überwunden sei und wie es mit den Sanktionen weitergehe. Sie fragten auch nach Putins Familie und weshalb die meisten Flugverbindungen im Land über Moskau verlaufen. Oder warum sie so wenig verdienen. Putin erklärte und versprach, gab Rat und zeigte Verständnis. Das ist wohl unabhängig von den Antworten die wichtigste Botschaft der Veranstaltung: Seht, ich nehme euch ernst, ich kümmere mich um eure Probleme. Und ihr könnt sogar kritische Fragen stellen, zum Beispiel wann der Präsident zurücktreten wird. Diese wurde allerdings nur eingeblendet. Eine Antwort darauf gab es nicht.


Und was würden Sie den Präsidenten fragen? Die MDZ hat sich zwischen Deutschland, Russland und Österreich umgehört.

Emil Brix, Österreichischer Botschafter in Moskau:

Wie sieht Präsident Putin die Zukunft der russisch-europäischen Beziehungen? Was kann er zum Wiederaufbau von Vertrauen beitragen, um wieder zu Partnern zu werden, die gemeinsam zu mehr Demokratie und Rechtstaatlichkeit beitragen, wie dies nach dem Ende des Kalten Krieges unser gemeinsames Ziel war?

Andrea von Knoop, Deutsch-Russisches Forum, stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes:

Erstens: Was würde Wladimir Putin den Präsidenten der Russischen Föderation fragen? Zweitens: Der Präsident ist ja dafür bekannt, dass er einen sehr guten Ein- und Überblick über die weltpolitische Lage hat und dabei die wirklichen Fakten sehr genau kennt. Wie hoch schätzt Wladimir Putin dieses Wissen bei seinen ausländischen Amtskollegen und Kolleginnen ein? Drittens: Die weltpolitische Lage ist zur Zeit so stürmisch, dass man nicht erkennen kann, wo man sich gerade befindet, noch wo die Reise hingeht. Kaum lockern sich die Wolken etwas auf, kommt unerwartet ein neuer Sturm auf in Form von Anschlägen, neuen Sanktionen und so weiter. Was muss passieren, damit die politische Großwetterlage wieder überschaubar wird und auch der Normalbürger wieder weiß, wohin die politische Reise geht?

Marit Cremer, Memorial Deutschland, Leiterin der Geschäftsstelle:

War der Gulag eine Tragödie oder ein Verbrechen?

Iwan Blokow, Greenpeace Russland, Kampagnendirektor:

Erstens: Im Rahmen der globalen Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel hat auch Russland sich verpflichtet, seine CO2-Emissionen zu verringern. Das Ziel ist eine Reduktion um 25 bis 30 Prozent bezogen auf das Niveau von 1990 bis 2030. Gleichzeitig zeigen Daten von 2015, dass der CO2- Ausstoß inzwischen 46 Prozent über dem Niveau von 1990 liegt. Was sind Russlands konkrete Pläne für die kommenden 14 Jahre, um die gesteckten Ziele zu erreichen und den Klimawandel gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft aufzuhalten? Zweitens: Wann wird Russlands Öl-Industrie endlich verpflichtet, etwas gegen das chronische Problem der Ölverschmutzung zu unternehmen? Jährlich gelangen mehrere Millionen Tonnen Öl über Leckagen und Unfälle ungehindert in die Umwelt. Diese Menge entspricht ungefähr dem Zweifachen dessen, was 2010 bei der Explosion der Deepwater Horizon Plattform ausgetreten ist. Drittens: Mülltrennung ist die einzige Lösung, um das Problem des extrem zunehmenden Haushaltsmülls in Russland in den Griff zu bekommen. Wann beginnt Präsident Putin in seinem täglichen Leben mit der Mülltrennung?

Uwe Beck, Deutsche Schule Moskau, Schulleiter:

Was können Deutsche und Russen voneinander lernen?

Konstantin Rehm Deutsch-russische Studenteninitiative Kinderträume, Vorsitzender:

Der Jugendaustausch ist eine wichtige Säule der deutsch-russischen Beziehungen. Eine besondere Rolle nimmt hier der Austausch junger Ärzte ein. Inwiefern liegt Präsident Putin persönlich gerade dieser Aspekt unserer Beziehungen am Herzen und wie möchte er diesen Austausch als Präsident der Russischen Föderation unterstützen?

Oleg Strahler, Überregionaler Koordinierungsrat der Deutschen im Ural, Vorsitzender:

Im Jahr 2014 war ich beim „Direkten Draht“ mit Wladimir Putin im Studio live dabei, aber es ist mir nicht gelungen, eine Frage zu stellen. Ich wollte damals wissen: Wird es eine Rehabilitierung der Russlanddeutschen geben? Diese Frage ist meiner Meinung nach noch nicht endgültig gelöst. Ich weiß, dass nach dem Beitritt der Krim per Dekret des Präsidenten ein Programm vorbereitet wurde, um unterdrückte Völker auf der Halbinsel zu unterstützen, aber ich habe nicht gehört, dass es umgesetzt wurde.

Von Corinna Anton

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