Warum Kitai-Gorod nichts mit China zu tun hat

Für Neuankömmlinge bieten sie eine ideale und dazu ökonomische Gelegenheit die größte Stadt Europas zu beschnuppern: die Free Walking Tours. Wir haben eine von Ihnen besucht.

Walking Tour

Neugierig erscheinen die Blicke der Touristen am Denkmal Kirills und Methodius, der Begründer des kyrillischen Alphabets / Christopher Braemer

Es ist früh am Morgen, doch zu stören scheint das keinen am Denkmal Kirills und Methodius, hier in Kitai-Gorod. Denn am gleichen „Spot“ versammelt sich täglich eine teilweise recht beachtliche Menschenmenge. Mit Neugier und Ungeduld zu gleichen Teilen erwartet man die Führerin jener Tour, die gratis Spaziergänge durch das Herz der Stadt bietet. Nach leichter Verspätung geht es dann endlich los.

Marina Winogradowa erklärt seit mehr als zwei Jahren Moskau. Langweilig wird der 28-jährigen Geschichtslehrerin dabei bisher nicht. „Mir werden jedes Mal wirklich unterschiedliche Fragen gestellt. Schließlich zieht Moskau immer noch Menschen aus allen Teilen der Welt an, die alle einen anderen Blick auf die Stadt haben“, so Marina. Gesiezt werden will sie nicht, wie sie von Anfang an betont.

Jeden zweiten Tag führt Marina Besucher aus aller Welt durch den zentralen Teil der Stadt. Dabei führt der Name „Kitai-Gorod“ leicht zu einem falschen Eindruck. Denn Kitai-Gorod („China-town“) hat rein gar nichts mit China zu tun.

Eine allgemein anerknnte Version über die wirkliche Namensherkunft gibt es nicht, doch aber zwei plausible Theorien. Die häufigste gründet im altrussischen Wort „Kita“ für den Holzwall, der den Stadtkern bis zum 16. Jahrhundert vor Feinden schützte. Die zweite Version ist eine Anlehnung an die italienischen Wörter „citta“ für Stadt oder „citadella“ für Festung.

Der Weg geht weiter, vorbei an einigen der ältesten Kirchen der Stadt, wie die karminrote „Allerheiligen-Kirche auf dem Sumpf“. Im Jahr 1380 zu Ehren des Triumphes über die Mongolen erbaut, wurde sie zunächst durch einen der zahlreichen Stadtbrände zerstört und anschließend Ende des 17. Jahrhundert wieder errichtet. Kuriosen Gerüchten zufolge diente sie zu Sowjetzeiten als KGB-Versteck.

Über die Ilinka-Straße geht es weiter vorbei am Geburtshaus der Romanows zum Roten Platz, dessen Name nicht nur für Besucher ohne Russischkenntnisse verwirrend erscheint. Denn „im altrussischen bedeutete ‚Krasnyj’ (deutsch: ‚rot’) sowohl ‚rot’ als auch ‚schön’“, wie Marina anmerkt. Erst im Laufe der Zeit entstand mit „Krasiwyj“ ein eigenes Wort für „schön“. Deswegen ist der eigentlich „Schöne Platz“ heute der „Rote Platz“.

Bildschirmfoto 2016-09-02 um 16.59.27Schöner als der Platz selbst ist wohl nur die Basilius-Kathedrale. „Die russischen Herrscher erbauten Kirchen, um Vergebung für ihre Sünden zu erhalten“, erklärt Marina. Ein dementsprechend schlechtes Gewissen muss Iwan der Schreckliche gehabt haben, als er eine der prächtigsten Kirchen der Welt baute. Sogar so prächtig, dass der erste russische Zar dem Erbauer, Iwan Barma, nach einem uralten Moskauer Mythos die Augen ausstach. Um sicherzugehen, dass sie auch die Schönste bliebe.

Das Prinzip der Tour basiert auf dem „Tip“-System: Jeder gibt so viel, wie er für angemessen erachtet. Also gilt: Trinkgeld nicht vergessen!

Christopher Braemer

Top-3-Alternativen: Moskau ist ihr Hobby

Zwar gilt die oben vorgestellte „Free Walking Tour“ laut australischem Reiseführer „Lonely Planet“ als erfolgreichster englischsprachiger Rundgang der Hauptstadt, jedoch gibt es reihenweise Alternativen.

Für die Teilnahme an den Führungen der „Moscow Greeter“ ist eine Online-Anfrage unumgänglich. Bedingung ist zudem ein mindestens zweitägiger Aufenthalt in Moskau. Die Betreiber sind laut eigener Aussage „lokale Freiwillige mit großem Moskau-Fable“. Die Touren sind kostenlos, Trinkgelder erwünscht.

Das Petersburger Online-projekt „Sputnik“ bietet Exkursionen zu Themen abseits des Mainstreams: Parks, Mythen und Untergrund. Anmeldung per Webseite, danach wird man von seinem „Sputnik“ (deutsch „Weggefährte“) kontaktiert. Preis: von kostenlos bis zu 2000 Rubel. Für Mutige, die sich einen Rundgang mit russischer Moderation zutrauen, bietet „Moskowskije Pereulki“ Einblicke ins literarische Moskau  Gogels, Jesenins oder Majakowskijs.

Ähnliche Formate gibt es nicht nur in Moskau, sondern in nahezu allen Metropolen – und teilweise auch kleineren Städten – der Welt. „Googeln“ (oder „Yandexen“) vor der Reise lohnt sich also! 

Newsletter

    Wir bitten um Ihre E-Mail: