Unternehmerin mit Mut zum Brückenbau

Anke Pötzsch gründete mit 23 Jahren ihre erste russische Firma. Heute betreut die Unternehmerin mit 100 Mitstreitern rund 400 Kunden.

Wenn Anke Pötzsch vom Reisen zurückkommt, steht ein Strauß roter Rosen in ihrem Büro./ Foto: privat

Eine zwei Monate junge Studie des globalen Beratungsunternehmen Grant Thornton enthüllt, dass Russland den höchsten Frauenanteil in Chefetagen aufweist: 47 Prozent. Weltrekord. Darunter ist auch mindestens eine Deutsche. Und die heißt Anke Pötzsch. Ihre Firma trägt den Namen INTERPONT, soll heißen internationale Brücke. Sie schlägt Brücken zwischen mehrheitlich deutschen Mittelständlern aus der Bau-, Auto-, Chemie-, Öl- und Gas-Branche, aber auch anderen Unternehmen aus Westeuropa, und dem russischen Markt. Und längst nicht mehr nur zu dem.

Über 100 Mitstreiter arbeiten im Hauptquartier in Moskau und in den Niederlassungen in St. Petersburg, Krasnodar, Kaluga und Nowosibirsk, außerdem in Kiew, Almaty, Warschau, Hongkong, Dresden und in Köln. Zusammen für 400 Kunden. Von Vertriebsstruktur, Visa und Arbeitsgenehmigungen, Firmengründung, Produktionsaufbau und Auffinden von Zulieferern bis zu Rechts- und Steuerberatung. Alles aus einer Hand. Der von Anke Pötzsch. Und die hält sie täglich am Puls des Geschäfts. In zwei Jahren wird sie ihr Silber-Jubiläum feiern. Eine deutsche Pionierin der russischen Frauenpower.

Unternehmen an nobler Adresse

Dabei hatte sie von dem, was sie glücklich, dankbar und bestens situiert machen sollte, nicht den Schimmer einer Ahnung. Sie spürte nur früh ihre unerschöpfliche Energie, ihre unbändige Entschlusskraft und dass ihr Organisationstalent sowie ihre überzeugende Beredsamkeit in Deutsch und perfektem Russisch mal hilfreich sein könnten.

Anke Pötzsch stammt aus Colditz bei Leipzig. Und zwar gerne und ebenso unüberhörbar. Ihr Vater war Schuldirektor, ihre Mutter Pflegedienstleiterin. Später arbeiteten beide auch bei INTERPONT. Das Unternehmen residiert überall an nobler Adresse, insgesamt auf 2000 Quadratmetern Bürofläche, teilweise an Kunden vermietet. In der Hauptstadt geht es zentraler kaum. Gleich am Puschkin-Platz an der Twerskaja-Straße, nur ein paar hundert Meter vom Kreml. Da rauscht die gertenschlanke, elegant gewandete Anke mit breitem Lächeln, das regelmäßig in lautes Lachen ausartet, so eilenden wie strammen Schrittes durch die Gänge.

Kartoffeln mit Quark nach Muttern

Ihr Büro ist eher ein kleiner Konferenzraum, funktional und bescheiden. Hier lebt sie auf. Obwohl sie in guter Lage Moskaus ein schniekes 184-Quadratmeter-Penthouse besitzt, das schon mehrfach als Filmkulisse hergehalten hat, wohnt sie zum „nur mal Schlafen“ in gemieteter Nachbarschaft zu ihrem Arbeitsplatz. Zum Frühstück reichen Kaffee und Zigaretten und diese Gewohnheit dann vielfach bis zum Abendessen.

Letzteres kocht sie meist selbst. Aber erst bei Besuchen in der alten Heimat weiß sie ihre Lieblingsgerichte richtig zu genießen: Schweinebraten mit Klößen oder einfach Pellkartoffeln mit Quark nach Muttern. Alkohol trinkt sie so gut wie nie. Stress baut sie anders ab. Mit Yoga, Massagen und Reggae-Musik. Urlaub? Ab und an mag sie Rügen. Auf Bali war sie auch mal.

Anke Pötzsch mit Sohn Alexander in der sächsischen Heimat /Foto: privat

Russland war schon vor der Wende ihre Liebe auf den ersten Blick. Als sie zu Auslandssemestern für ihr Russisch-Lehramtsstudium ausreisen durfte. Zunächst nach Kaluga. Spontan begeisterten sie die „Emotionalität und der herzliche Zusammenhalt“ unter den einheimischen Kommilitonen. Besonders als nur einen Monat später die Wiedervereinigung auch über sie hereinbrach. „Plötzlich ein neues Heimatland, erstmal eine Katastrophe, keine Papiere, kein Geld.“ Sie blieb in Russland und wechselte nach Moskau.

Aber nun musste sie die Kosten für ihr Studium selbst aufbringen. Schwindelerregende 5000 US-Dollar. Da fielen ihr die opulenten Figuren einiger Lehrerinnen auf. Und ihr kam eine ebenso starke Idee: Fachgeschäfte gab es Anfang der Neunziger noch kaum, also her mit einer maßgeschneiderten Kollektion von Kleidern und Röcken in den Größen XL bis XXXL für den Direktverkauf. Das Geschäft blühte, und die erste eigene Firma wurde gegründet.

Die jüngste ausländische Unternehmerin

Nach knapp drei Jahren schneiderten 15 Angestellte Mode für Füllige im Akkord. „Keiner wusste damals so richtig, wie man hier eine GmbH gründet, bei all den bürokratischen Hürden. Ich habe es ausprobiert und es hat geklappt.“

So wurde sie mit 23 Jahren die wohl jüngste ausländische Unternehmerin und Expertin für Firmengründungen hierzulande. Ein Pfund, mit dem sich gehörig wuchern ließ. Nebenbei schloss sie das Studium ab. Dann kam ihre persönliche Wende.

Im Auftrag der Weltbank

Für Anke Pötzsch jedenfalls wurde das geflügelte Wort wahr: Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf die richtigen Leute treffen. Sie saß 1993 im Flugzeug zu ihren Eltern, um mit ihnen stolz ihr Diplom zu feiern. Der Passagier neben ihr entpuppte sich als ein Experte für EU-Projekte auf Rückreise von einer eher verwirrenden Russland-Mission. Dem Mann konnte geholfen werden.

Kurze Zeit später wurde Anke Pötzsch von der Frankfurter Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Weltbank als junge Beraterin angeheuert. Sie war zuständig für Projekte von TACIS, einer damaligen EU-Organisation, die die wirtschaftliche Entwicklung osteuropäischer und zentralasiatischer Staaten unterstützte. Pötzsch knüpfte Kontakte zu Behörden, Verbänden und Banken. Bald begriff sie, dass sie das zwar mit der EU als festem Kunden, aber auch ganz gut in Eigenregie ausbauen könnte: die Geburtsstunde ihrer INTERPONT.

Zwischen Moskau und Dresden

Noch immer geben sich in Russland nur Männer gegenseitig die Hand bei Treffen, Frauen werden auf Distanz begrüßt. Aber die blutjunge Dame Pötzsch erarbeitete sich schnell gehörigen Respekt im zu dieser Zeit noch heftig mafios-gesteuerten Umfeld. Bis heute glaubt sie unbeirrt, dass ihre Verhandlungsdevise „No showtime: Überzeugung durch Ehrlichkeit und Offenheit“ die tragende Säule ihres Erfolgs ist. Privat übt Pötzsch den ständigen Spagat zwischen Moskau und Dresden. Wegen Sohn Alexander, 17. Obwohl erst in Moskau aufgewachsen, sollte  der doch lieber in Deutschland zur Schule gehen. Über ihr Privatleben wird kaum geredet. Ihr Leben ist eben das Unternehmen, ihre Leute die Familie. Einige Kinder von Angestellten gehören inzwischen auch zum Kader.

Wenn Pötzsch vom ewigen Reisen an ihren Schreibtisch zurückkommt, steht da ein stattlicher Strauß tiefroter Rosen. Sagt doch wohl alles über ihren Führungsstil. „Wenn ich länger in Deutschland bin, zieht es mich wieder nach Russland, umgekehrt ist das nicht so“, bekennt sie ihre andauernde Liebe zu ihrer Wahlheimat.

Sibirische Wärme

Anke Pötzsch fühlt sich noch immer jung genug, ihrer Zukunft entspannt entgegenzusehen: „Russland ist so groß, ich treffe immer und überall auf Wärme, besonders in Sibirien.“

Aber ehrlich und erfahren wie sie ist, sieht sie auch großen Aufholbedarf: „Da muss noch eine Wende in den Köpfen passieren, vom natürlich wichtigen Kollektivdenken zu mehr Eigeninitiative.“ Und auch das „Clan-Denken“ störe die Kreise, wobei „Korruption ja nicht typisch russisch“ sei, hier „lediglich sichtbarer“. „Alles ist doch eigentlich ganz einfach, nur wir Menschen machen alles schwierig, dem muss man immer flexibel die Stirn bieten“, resümiert sie mit fröhlichem Optimismus. Dass sie das kann, hat sie vielfach bewiesen – ihren Kunden und sich selbst.

Frank Ebbecke

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