Russlanddeutsche sind wie Milchkaffee

Die Moskauer Gespräche, eine Veranstaltungsreihe des Deutsch-Russischen Forums und der MDZ widmete sich beim letzten Gespräch vor der Sommerpause den Russlanddeutschen: Lassen sie sich im Ost-West-Konflikt instrumentalisieren und wem gehört ihre Loyalität?

Von Alina Bertels

Klucke, Martens, Moderatorin Gesine Dornblüth (Deutschlandfunk) / Michael Lechner

Klucke, Martens, Moderatorin Gesine Dornblüth (Deutschlandfunk) / Michael Lechner

Die Berichterstattung in Deutschland und Russland hat in letzter Zeit ein schlechtes Licht auf die Situation der Russlanddeutschen geworfen. Angeblich haben sie sich in Deutschland, mit organisatorischer Hilfe vom Kreml, rechten Gruppierungen angeschlossen. Auch wurden in Deutschland Behauptungen aufgestellt, dass eine halbe Million Spätaussiedler nach Russland zurückkehren wollten, weil sie sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlten. Die Gäste des Mos­kauer Gesprächs im Goethe-Institut waren sich hingegen einig, dass es zwar auf beiden Seiten Einzelfälle gäbe, die es wieder zurück in die alte Heimat ziehe, die meisten von ihnen entschieden sich jedoch aus persönlichen Gründen für eine Rückkehr.
Die Meinungen gingen dagegen auseinander, als die Frage aufkam, was eigentlich schlimm daran sei, wenn sich die russische Botschaft für ihre Staatsangehörigen in Deutschland einsetze. Werner-Dieter Klucke, Leiter des Kulturreferats der Deutschen Botschaft in Moskau, erklärte, dass es sich bei erwachsenen Spätaussiedlern, die ihren festen Wohnsitz in Deutschland haben, in der Regel nicht mehr um russische, sondern um deutsche Staatsangehörige handele. Eine Intervention in interne Angelegenheiten eines anderen Staates sei völkerrechtlich verboten. Klucke betonte, dass die Loyalität der in der Bundesrepublik lebenden Russlanddeutschen Deutschland gehören sollte. Bezüglich der Staatsangehörigkeit ist die Lage freilich etwas komplizierter: Dem Auswärtigen Amt zufolge gestattet das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht seit dem Jahr 2000 „großzügigere Ausnahmeregelungen, durch die die Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit gestattet wird“.
Nadeschda Pantschenko, Vertreterin der russischen Föderalen Agentur für die Angelegenheiten der Nationalitäten, verwies auf einen Dialog in der Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen, der sich der Frage der „Zugehörigkeit“ angenommen hat und noch nicht abgeschlossen wurde. Ihrer Meinung nach ist eine eindeutige Zuordnung der Identität Russlanddeutscher nicht möglich: „Das kann man nicht mehr trennen. Das ist wie bei einem Milchkaffee, da bekommt man die Milch auch nicht wieder heraus.“
Olga Martens ging in der Frage der Loyalität hingegen in die Offensive: Die stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur in Moskau empfindet die doppelte Identität und die doppelte Loyalität als Vorteil. Es sei zwar nicht einfach, dies offen zuzugeben, und man müsse diesem Status gewachsen sein. Doch es entspreche genau dem Leitbild eines Europas der Regionen. „Ganz deutsch“ fühlt sich auch Julia Iwakin, Vorsitzende des Jugend- und Studentenrings der Deutschen aus Russland, nicht, obwohl sie mit neun Jahren nach Deutschland gezogen ist. Sie schätzt den Kontakt zur russischen Botschaft und möchte auf diese Weise Brücken zwischen den Ländern aufbauen. Als Instrumentalisierung empfindet sie den Kontakt nicht. Die „doppelte Identität“ greift sie ebenfalls auf, spricht persönlich aber lieber von einer Identität, in der sie zwei Länder vereint.

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