Ein angesehenes Grüppchen: Wofür die Rumänen „ihre” Deutschen lieben

Sachsen in Rumänien? Ja, genau. Obwohl sie nur einige Zehntausende Angehörige zählt, ist die deutsche Minderheit in Rumänien aktiv, einflussreich und beliebt. Dass Rumänien mit Klaus Johannis nun auch einen Siebenbürger Sachsen zum Präsidenten hat, dürfte auch mit ihrem guten Ruf zu tun haben.

Die Parkgasse in Mühlbach / Peggy Lohse

Die Parkgasse in Mühlbach / Peggy Lohse

Reist man auf dem Landwege durch Rumänien, fallen immer wieder die unterschiedlichen Beschriftungen von Orts- und Straßennamen auf. Im kleinen Städtchen Mühlbach (Sebeș) zum Beispiel hängen über den weißen rumänischen Straßenschildern auch noch gelbe mit deutscher Aufschrift. Und über den Toren des heutigen Staatlichen Lucian-Blaga-Collegiums, einem rumänischen Gymnasium, steht in großen Lettern „Bildung ist Freiheit”. Und das ist bis auf die Bundesstraße zu sehen.

Süddeutsche Kleinstadt in Transsylvanien

Wenige Kilometer weiter liegt die „Hauptstadt” der Siebenbürger Sachsen: Hermannstadt, das vor allem im Zentrum sehr an eine süddeutsche oder österreichische Kleinstadt erinnert. Hier gibt es zwar keine deutschen Straßenschilder, aber deutsch benannte Hotels, Cafés, Museen. Und so manch ein Kellner antwortet schon mal schneller mal auf Deutsch als auf Englisch, wenn ein Ausländer einen Kaffee bestellt.

Hermannstadt/Sibiu: Nahezu alles ist hier zweisprachig beschriftet. / Peggy Lohse

Hermannstadt/Sibiu: Nahezu alles ist hier zweisprachig beschriftet. / Peggy Lohse

Laut der letzten Volkszählung gibt es gegenwärtig etwa 60.000 Deutsche in Rumänien. Ihre Geschichte reicht über 800 Jahre zurück und sie ist kaum noch von der der Rumänen zu trennen.


Kleine Geschichte der Rumäniendeutschen

Die Siebenbürger Sachsen siedelten im 12. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Rumänien. Sie kamen aus dem heutigen Luxemburg, Lothringen und Elsass. Im 17. und 19. Jahrhundert brachte Österreichisch-Ungarn Schwaben ins Banat und Sathmar. Durch die Grenzverschiebungen nach dem Ersten Weltkrieg waren die Deutschen nach den Ungarn die größte Minderheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie der Kollaboration mit den Nazis verdächtigt und viele in den Donbass deportiert. Auch im Kommunismus behielten viele Gemeinden ihre Sprache und Dialekt und deutschsprachigen Schulen.


Steif und berechenbar, fleißig und kirchlich

Mit der Historie der Russlanddeutschen ist das nicht zu vergleichen, wie Hans Klein, Mitbegründer und heute Präsident der Hermannstädter Gruppe des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) betont. „Die Siebenbürger Sachsen haben hier über Jahrhunderte vor allem gute Erfahrungen gemacht”, sagt der Theologe und Politiker. Auch während der Weltkriege und des Kommunismus seien die Deutschen relativ gut behandelt worden. So gut, dass sie, obwohl sie als Minderheit nur 1,5 Prozent der Bevölkerung darstellen, im Hermannstädter Stadtrat über 60 Prozent der Sitze innehaben.

Nahezu alles ist hier zweisprachig beschriftet. / Peggy Lohse

Nahezu alles ist hier zweisprachig beschriftet. / Peggy Lohse

Gleichzeitig aber sei dies auch „eine Katastrophe”, sagt Klein. „Wir sind steif, wie gelähmt. Der Obrigkeit hörig.” Aber auch das scheint der kleinen deutsche Gemeinschaft kaum zu schaden. „Heute steht die Deutsche Minderheit mit dem rumänischen Mittelstand auf einer Ebene”, so der heute 76-Jährige aus einer kirchlich-evangelischen Familie. Auch seine zwei Söhne sind Pfarrer, eine Tochter Diakonin, eine Lehrerin. Etwa ein Fünftel der Rumäniendeutschen sind evangelisch, etwa 12.500 Personen.

Das DFDR, das auch Schulen, Kindergärten, Feiertage und soziale Einrichtungen mitfinanziert, war vor 27 Jahren von Kirchenaktiven gegründet worden. „Nicht von Politikern”, betont Klein, „darum haben die Leute mehr Vertrauen zu uns.” Der neue rumänische Präsident Johannis wurde übrigens auch nach der Revolution 1989 Mitglied des DFDR, ab 2000 dann Bürgermeister von Hermannstadt. Seit 2014 ist er nun Staatschef.

„Eine Gemeinschaft, die neben dem Staat existiert, verstärkt viele Eigenschaften”, erklärt Klein. Bei den Sachsen seien das ganz typische deutsche Tugenden wie Treue, Arbeitsamkeit, Verlässlich- und Berechenbarkeit. Und das lieben die Menschen wohl an ihnen: Die Rumänen „vertrauen uns, sie kommen zu unseren Veranstaltungen, schicken ihre Kinder in unsere Schulen.”

Nach den 90ern bleiben noch fünf Prozent

Aber auch für die Rumäniendeutschen waren die 1990er Jahre ein Einschnitt. 95 Prozent von ihnen wanderten nach Deutschland aus, mehr als bei den Russlanddeutschen (etwa 50 Prozent). Völlig zurückkehren tut kaum jemand. „Damals hat sich ein großes Gefühl der Vereinsamung breit gemacht”, erinnert sich Gerhild Rudolf, viele hätten sich darum verstärkt an die Kirche gewandt. Rudolf ist Kulturreferentin der Evangelischen Johanniskirche in Hermannstadt mit dem ihr angeschlossenen Teutsch-Hauses, das auch ein Museum zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen und das deutsch-rumänische Büchercafé „Erasmus” beheimatet. Seit der großen Abwanderung müssten nun viele Pfarrer auf dem Lande bis zu fünf Gemeinden betreuen, in einigen Orten gebe es nun schon sogenannte Lektoren, aktive Kirchgänger, die den Pfarrerersatz selbstständig organisieren, solange jener in anderen Gemeinden predigt.

Im Sommer allerdings kommen regelmäßig die sogenannten „Sommersachsen” nach Siebenbürgen, um die Heimat der mittlerweile schon Vorfahren zu besuchen und zu entdecken. Zum „Großen Sachsentreffen”, das in diesem Jahr auch mit dem 500. Jubiläum der Reformation zusammenfällt, werden im August über zehntausend Besucher in Hermannstadt erwartet. Die meisten kommen aus Deutschland, darum wurde der Termin speziell mit den deutschen Sommerferien abgeglichen.

Deutsche Sprache als Sprungbrett, aber die Federn fehlen oft

Evangelische Johanniskirche Hermannstadt feiert auch Reformationsjubiläum / Peggy Lohse

Evangelische Johanniskirche Hermannstadt feiert auch Reformationsjubiläum / Peggy Lohse

Derweil sind die insgesamt über 50 staatlichen und privaten Kindergärten mit Deutschabteilung und acht deutschen Schulen in Hermannstadt – und eine deutsche Auslandsschule nach baden-württembergischen Lehrplan wird gerade aufgebaut – sehr beliebt. Bewerber gibt es mehr als freie Plätze, weiß auch Deutsch-Dozentin Liana Regina Iunesch von den deutschsprachigen Lehramtsstudiengängen der Lucian-Blaga-Universität, die vor allem mit österreichischen Unis kooperiert. „Der Grund sind die positiven Stereotypen”, sagt Iunesch. „Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass die Schulabgänger erfolgreich sind.” Und so kam es, dass heute nur zwei Prozent der Kinder an den deutschen Schulen aus Sachsen-Familien kommen, alle anderen lernen Deutsch als Fremdsprache.

Aber das Problem ist, dass die Lehrer fehlen: allgemein in allen Fachrichtungen und besonders mit möglichst perfekten Deutschkenntnissen. Das kennt auch Rudolf aus der Erfahrung ihrer Kinder, die teils auf Rumänisch unterrichtet würden, weil immer mal wieder entsprechend qualifizierte deutschsprachige Fachlehrer fehlten.

Rumänisch lernen Sie hier nicht!

In Hermannstadt kann man überhaupt völlig auf Deutsch leben: Nach Kindergarten und Schule kann man deutschsprachige Studiengänge besuchen, zum Beispiel eben im Lehramt. Es gibt das Deutsche Kulturzentrum zur Freizeitgestaltung, die „Erasmus”-Buchhandlung, die Kirche, mehrere Geschäfte und sogar von der BRD finanzierte Altenheime, die seit Anfang der 90er Jahre die Abwanderung stoppen und den älteren Siebenbürger Sachsen einen angenehmen und medizinisch abgesicherten Lebensabend bieten sollen. „Wir haben immer wieder Studenten aus Deutschland, die bei uns unbedingt Rumänisch lernen wollen”, erzählt Iunesch. Am Ende aber sprechen sie immer nur deutsch.

Wo wir dann auch wieder an dem Café angekommen wären, wo uns eine freundliche Rumänin wieder auf Deutsch statt Englisch fragt: „Kaffee mit Milch oder Zucker? Einen schönen Abend noch!”

Peggy Lohse

Solidarisch aktiv: Wenn Minderheiten zusammenhalten

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