Priamos-Schatz: Wie ein Sensationsfund aus Troja nach Moskau kam

Die Schätze von Troja wurden auf dem Gebiet der heutigen Türkei von einem deutschen Kaufmann entdeckt. Zu sehen sind die Kostbarkeiten im Seitenflügel des Puschkin-Museums.

Der Blickfang im Saal: das goldene Diadem des Priamos-Schatzes /Foto: Nadeschda Sereschkina.

Hinter antiken Skulpturen und italienischen Renaissance-Gemälden, birgt der kleine Saal Nummer drei im Puschkin-Museum einen sagenumwobenen Schatz. Mehr als 4000 Jahre alt ist er und erzählt die Geschichte von Troja. Das zumindest glaubte sein Entdecker, der deutsche Kaufmann und Archäologe Heinrich Schliemann. 1873 machte er den Sensationsfund bei Ausgrabungen auf dem Gebiet der heutigen Türkei und benannte ihn nach dem mythischen trojanischen König Priamos.

Dabei war Heinrich Schliemann zunächst kein Archäologe. Seine Karriere begann in einer kleinen niederländischen Handelsfirma. Weil er eine Begabung für Fremdsprachen hatte, wurde er Handelsvertreter in St. Petersburg, später in Moskau. 1846 nahm er sogar die russische Staatsbürgerschaft an und heiratete Jekaterina Lyschina, Tochter eines wohlhabenden russischen Kaufmanns. Schliemann war ein tüchtiger Kaufmann, der während des Krimkrieges sein Vermögen verdoppelte, indem er der zaristischen Armee Salpeter und Pech für die Kanonen verkaufte.

 Vom Kaufmann zum Archäologen

Doch anstatt das Geld weiter zu vermehren, gab der Kaufmann dem Studium von Latein und Griechisch den Vorzug. Er promovierte in Paris und widmete sich der Archäologie. „Schliemann wollte nicht einfach nur reich, sondern auch bekannt werden“, kommentiert Wladimir Tolstikow, Leiter der Kunst- und Archäologieabteilung der Antike am Puschkin-Museum. Der Kaufmann glaubte an den Mythos der legendären Stadt Troja. Deshalb reiste er ins Osmanische Reich, wo Forscher die Überreste des antiken Troja vermuteten. Bei seiner Suche trug er eine Ausgabe der Ilias des griechischen Dichters Homer, die von der blutigen Schlacht der Griechen gegen die Trojaner handelt, mit sich, um die Ortsbeschreibung mit der Realität zu vergleichen.

Doch die besagte Stätte hatte keine Gemeinsamkeiten mit der Erzählung. Enttäuscht kehrte er zum Schiff zurück, um seine Heimreise anzutreten – doch Schliemann kam zu spät. Dieser Zufall entschied seine Zukunft, denn er traf Frank Calvert, diplomatischer Beamter im östlichen Mittelmeerraum, der den Schatzsucher mit seinen Überlegungen über den Standort des antiken Troja auf dem Hügel Hisarlik vertraut machte.

Schatz, den zuerst keiner wollte

Goldschmuck aus dem Priamos-Schatz /Foto: Puschkin-Museum.

Dort nahm Schliemann die Suche nach der verlorenen Stadt auf und stieß auf Gold. „Archäologen reagierten erstmal mit Skepsis, alle anderen mit Begeisterung“, erzählt Tolstikow. Schliemann schmuggelte die Schätze zunächst nach Griechenland. Später musste er eine Kompensation an die Regierung des osmanischen Herrschers zahlen, um rechtlich der Besitzer zu bleiben. Unter den Objekten befanden sich Kelche, Vasen, Dolche und Speerspitzen und Goldschmuck, darunter ein goldenes Diadem – für Schliemann Beweise für die Existenz Trojas. Heute weiß man, dass der Fund älter sein muss als Troja.

Nachdem der Kaufmann erfolglos seinen Fund dem Louvre in Paris und der Eremitage in Sankt Petersburg angeboten hat, überreichte er es dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin. Dort war der Schatz bis zum Kriegsbeginn 1939 ausgestellt. Da die Berliner Museen ihre Bestände sichern mussten, wurden die Exponate im Keller einer Berliner Bank aufbewahrt und nach Luftangriffen auf die Stadt in einen raketensicheren Bunker verlagert. Nach der Schlacht um die deutsche Hauptstadt 1945 übergab Wilhelm Unverzagt, der Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, die Kisten freiwillig an sowjetische Soldaten, um den Erhalt der Schätze zu wahren.

Als Beutekunst nach Moskau

Die Beutekunst wurde geheim gehalten. „Bis 1994 wussten nur zwei Personen, wo sich die Schätze befinden: der Direktor des Puschkin-Museums und der Kurator der Sammlung“, betont Tolstikow. Das Schweigen brach erst Grigorij Koslow, Beamter des Kulturministeriums, der Zugang zu den Archiven und offiziellen Korrespondenzen hatte und die Information der amerikanischen Presse zukommen ließ. Als der verschollen geglaubte Fund ans Tageslicht kam, musste Kulturminister Jewgenij Sidorow einer öffentliche Ausstellung zustimmen. 1996 konnte die Welt „Trojas Schätze – die Ausgrabungen Heinrich Schliemanns“ im Puschkin-Museum bestaunen.

Gleichzeitig löste die Ausstellung einen Streit aus. Wem gehört der Fund? Deutschland forderte Russland auf, die Exponate zurückzugeben. Die Duma antwortete 1998 auf jene Forderungen mit einem neuen Gesetz „über Kulturgut, das sich aufgrund des Zweiten Weltkriegs in Russland befindet“. Demnach gehören alle Objekte der Russischen Föderation. Vergeblich wurde diese Entscheidung angefochten, da die Sowjetunion damals die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten unterzeichnete. Diese untersagt, Kulturgüter aus einem besetzten Land auszuführen.

„Heute akzeptieren die meisten deutschen Experten diesen Umstand“

Doch die Konvention wurde 1954 unterzeichnet und laut dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge von 1969 hatte es keine rückwirkende Geltung, so Alexandra Skuratowa, Juristin und Dozentin an der Fakultät für Völkerrecht am Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen. Dazu hatte Deutschland mit seiner Kapitulation kein Recht, irgendwelche Bedingungen zu stellen. Diese Kulturgüter könnten auch als Kompensation für die vernichteten 160 Museen, 4000 Bibliotheken und 115 Millionen Publikationen in Russland betrachtet werden, so die Juristin. Dennoch wurden mehr als 1,7 Millionen Exponate Deutschland zurückgegeben.

„Heute akzeptieren die meisten deutschen Experten diesen Umstand und arbeiten mit dem Puschkin-Museum zusammen“, so Tolstikow. Deutschland hat den Kampf aufgegeben, nur die Türkei versucht es weiterhin, schließlich liegt das historische Troja auf dem Gebiet der heutigen Türkei.

Alexander Tschernischew

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