Langsame Zinssenkungen erhöhen Glaubwürdigkeit der russischen Zentralbank

Die MDZ-Kolumne des Osteuropa-Experten Andreas Schwabe von der Raiffeisen Bank.

Andreas Schwabe ist Analyst für Osteuropa mit Schwerpunkt Russland und Ukraine in der volkswirtschaftlichen Abteilung bei der Raiffeisen Bank International in Wien.

Der Autor Andreas Schwabe ist Analyst für Osteuropa mit Schwerpunkt Russland und Ukraine in der volkswirtschaftlichen Abteilung bei der Raiffeisen Bank International in Wien.

Auf ihrer Sitzung am 10. Juni senkte die russische Zentralbank zum ersten Mal seit August 2015 den Leitzins. Der Zinsschritt um 0,5 Prozentpunkte von 11 auf 10,5 Prozent kam nicht völlig unerwartet, jedoch waren sich Marktteilnehmer über das Timing der Entscheidung uneins. Die Hälfte der von Bloomberg befragten Finanzmarktanalysten sah trotz verbesserter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Wiederaufnahme von Zinssenkungen erst im Juli oder gar im dritten Quartal des Jahres.

Seit 2013 verfolgt die russische Zentralbank unter der Führung der früheren Wirtschaftsministerin Elwira Nabiullina das Ziel, die Inflationsrate mittelfristig auf 4 Prozent pro Jahr zu senken. Dies liegt deutlich unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre von knapp 10  Prozent. Mit einer restriktiven Geldpolitik, also einem hohen Zinsniveau, versucht die Zentralbank, ihre Glaubwürdigkeit zu stärken und die Marktteilnehmer von der Ernsthaftigkeit ihrer Antiinflations-Politik zu überzeugen.

Während der Einbruch des Wechselkurses im letzten Jahr der Zentralbank einen Strich durch die Rechnung machte (das Preisniveau stieg um 15 Prozent), stehen die Chancen für eine niedrigere Inflation derzeit günstiger. Die erneute Rubelschwäche zu Jahresbeginn hat die Preise überraschenderweise nicht in die Höhe getrieben. Lebensmittel verteuerten sich in den letzten Monaten weniger als erwartet. Die heimische Nachfrage ist noch immer schwach und der Lohndruck moderat. Damit stabilisiert sich die Inflationsrate derzeit bei rund 7,5% und könnte mit etwas Glück im Jahresverlauf sogar noch weiter sinken. Die russische Zentralbank erwartet eine Inflationsrate von 5-6% zu Jahresende. Wir sind skeptischer und würden bereits ein Niveau von rund 7% im Dezember als Erfolg verbuchen. Risiken im Hinblick auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik sieht die Zentralbank derzeit vor allem von Seiten der Fiskalpolitik. Sie befürchtet, dass die fortgesetzte Verwendung des Reservefonds zur Deckung des Haushaltsdefizits die Inflation wieder anheizen könnte.

Angesichts der konservativen Haltung der Zentralbank erwarten wir, dass die Zinsen auch bei fallender Inflation nur graduell gesenkt werden. Unser Prognoseszenario (unter Voraussetzung keiner neuerlichen externen Schocks) sieht zwei Zinssenkungen um jeweils 0,5 Prozentpunkte bis Jahresende und weitere 1 Prozent in 2017 vor. Damit könnte der Leitzins Ende nächsten Jahres bei 8,5% Prozent liegen.

Die russische Zentralbank hat unserer Ansicht nach in den letzten beiden Jahren ihre Glaubwürdigkeit erhöht und eine nachhaltig niedrigere Inflation erscheint zunehmend realistischer. Allerdings werden die erhofften mittel- und langfristigen Vorteile moderater Inflation (etwa höhere Spar- und Investitionsbereitschaft durch bessere Planbarkeit, bezahlbare längere Kreditlaufzeiten bei niedrigeren Risikoprämien) auch von Faktoren außerhalb des Einflussbereichs der Zentralbank bestimmt. Erfolgreiche Geldpolitik kann damit nur ein notwendiger, jedoch kein ausreichender Faktor für wirtschaftliche Prosperität sein.

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