Bayerisches Auswärtsspiel: Wie halten Sie es mit Russland, Herr Dresel?

Nichtstaatliche Organisationen müssen sich von russischen Behörden gern mal nachsagen lassen, „ausländische Agenten“ zu sein und, wenn man sie nur lässt, einem russischen Maidan Vorschub leisten zu wollen. Kommen solche Organisationen aus dem Ausland, stehen ihre Aktivitäten genauso unter Beobachtung. Wir haben die Vorbehalte aufgegriffen, um Jan Dresel, Leiter der Verbindungsstelle Moskau der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, nach den Zielen seiner Arbeit zu fragen.

Politische Stiftungen vertreten die Interessen der Parteien, denen sie nahestehen. Wo bleiben bei Ihrer Arbeit die Interessen Russlands?

Wir haben bei unserer Arbeit in Moskau immer die Interessen Russlands im Kopf, denn sie sind von entscheidender Bedeutung für den Erfolg unserer Tätigkeit. Hauptanliegen der Moskauer Verbindungsstelle der Hanns-Seidel-Stiftung sind die Pflege, der Ausbau und die Vertiefung des deutsch-russischen Dialogs. Dieser Dialog liegt auch im Interesse Russlands, wie Staatspräsident Wladimir Putin selbst immer wieder betont hat. Angesichts bestehender Meinungsverschiedenheiten bei Themen wie dem Ukrainekonflikt oder den Sanktionen ist es umso wichtiger, respektvoll miteinander umzugehen und Lösungen für diejenigen Probleme und Themenbereiche zu finden, bei denen dies möglich ist. Neben einer verstärkten Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft gibt es heute so viele weltpolitische Herausforderungen, für die eine gemeinsame Lösung angestrebt werden sollte, dass es geradezu fahrlässig wäre, diese Chance zur Zusammenarbeit nicht zu nutzen.

Sie kommen aus Bayern, einer der konservativsten Gegenden Deutschlands. Da sind die Vorbehalte gegenüber Russland sicher besonders groß?

Ganz im Gegenteil. Man könnte sogar sagen, dass die konservative Grundhaltung großer Teile der Bevölkerung Bayern und Russen eher verbindet. Auch auf höchster politischer Ebene funktioniert die bayerisch-russische Zusammenarbeit traditionell hervorragend, wie die bayerische Staatsregierung mit dem Besuch von Ministerpräsident Horst Seehofer in Moskau Mitte März dieses Jahres deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Zusammen mit Präsident Putin und hochrangigen russischen Regierungsvertretern stieß der bayerische Ministerpräsident gemeinsame Projekte und Initiativen mit Russland in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Landwirtschaft an.

Ihren Auftrag beschreibt die Hanns-Seidel-Stiftung mit „Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung“. Das gelte auch für das Engagement im Ausland. Nun wird westliche Demokratieförderung in anderen Teilen der Welt durchaus oft kritisch gesehen. Können Sie das nachvollziehen?

Man sollte auch außerhalb Russlands verstehen, dass das Wort „Demokratie“ für viele Russen einen negativen Beigeschmack hat. Infolge des Scheiterns der Privatisierungs- und Demokratisierungsbemühungen unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin in den 90er Jahren trafen die hohe Arbeitslosigkeit und Inflation das Land ebenso hart wie die Tatsache, dass ausstehende Gehälter oft monatelang nicht gezahlt wurden. Die Wirtschaftskrise in den Jahren 1998 und 1999 stürzte Russland dann in die Zahlungsunfähigkeit. Diese Erfahrungen stehen in krassem Gegensatz zu dem, wofür die Staatsform der Demokratie in westlichen Ländern und speziell in Deutschland seit vielen Jahrzehnten steht: Freiheit, Wohlstand und politische Stabilität. Nach den Erfahrungen des Dritten Reiches hat die Demokratie den Deutschen sehr dabei geholfen, ihr zerstörtes Land wieder aufzubauen und zu einem gesunden Selbstbewusstsein zurückzufinden.

Auf der Webseite Ihrer Stiftung heißt es: „Der rasche und tiefgreifende Wandel, in dem sich unser Land befindet, verstärkt den Bedarf an Wertorientierungen, an Verwurzelung in verlässlichen Strukturen und überschaubaren Ordnungsräumen.“ Dieser Satz stimmt auch, wenn man ihn auf Russland münzt, nur dass die Wert­orientierungen gegebenenfalls andere sein werden. Was dann?

Nicht nur in Moskau: Jan Dresel bei einer Sitzung der deutsch-russischen Regierungskommission zu Fragen der Russlanddeutschen im sibirischen Omsk. / Juliana Martens

Wir verstehen uns in der Russischen Föderation als Gast. Es liegt uns fern, unseren russischen Gastgebern unsere eigenen Wertorientierungen aufzudrängen. Die Hanns-Seidel-Stiftung sieht sich als staatlich unabhängige Organisa­tion, die einen wichtigen Beitrag zur deutsch-russischen Zusammenarbeit leistet. Wenn unsere russischen Gesprächspartner dann im Rahmen des Dialogs Gefallen finden an bestimmten Wert­orientierungen oder an der Art und Weise, wie in Deutschland und speziell in Bayern mit bestimmten Themen umgegangen wird, dann freut uns das natürlich.

Eine These: Der westliche Umgang mit Russland krankt an einer mangelnden Bereitschaft und Fähigkeit, es aus sich selbst heraus verstehen zu wollen. Meist wird nur das zur Kenntnis genommen und reflektiert, was sich bequem mit dem eigenen Weltbild vereinbaren lässt. Einverstanden?

Ich denke, dass die Beschäftigung mit Russland, seinen tiefgründigen Menschen und seiner reichen historischen und künstlerischen Tradition im Westen deutlich intensiver sein könnte. Umgekehrt bin ich aber genauso überzeugt davon, dass auch viele Russen sich mehr darum bemühen könnten, den geschichtlichen und kulturellen Hintergrund westlicher Länder und Sichtweisen zu verstehen. Die jahrhundertelangen engen Verbindungen zwischen Deutschland und Russland sollten gerade unseren beiden Ländern dabei helfen, wieder mehr aufeinander zuzugehen und trotz der bestehenden Konflikte vor allem das Verbindende und die großen Chancen der bilateralen Zusammenarbeit zu suchen.

Die Fragen stellte Tino Künzel.

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