Haltestelle Barrierefrei

Freies WLAN und Züge im Minutentakt machen die Fahrt mit der Moskauer Metro sehr komfortabel. Jährlich nehmen 2,5 Milliarden Menschen diesen Dienst in Anspruch. Doch wie angenehm ist der Nahverkehr für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind?

Die Moskauer Metro will modern werden. /Foto: Pixabay.

„Ich bemitleide Menschen mit Behinderungen nicht“, sagt der russische Youtuber GABAR. „Stattdessen möchte ich ihnen meinen größten Respekt zollen.“ Jüngst führte er auf seinem Kanal ein Experiment durch, um nachzuempfinden, wie sich Einschränkungen eines Menschen auf die Nutzung der Metro auswirken. Dafür verband er seine Augen und begab sich mit einem Blindenstock unter die Erde, in die Moskauer Metro. Drei Stunden und 40 Minuten brauchte er, um von der Station Dubrowka zur Station Lubljanka zu gelangen. Das sind rund drei Stunden mehr, als eine durchschnittliche Fahrt dauert. In der Metro selber habe er sich aber relativ wohlgefühlt. „Viele Menschen haben mir geholfen, sie haben mich einfach an die Hand genommen und mich in die Bahn geführt.“ Trotz fehlender Blindenleitsysteme und Aufzüge. Der blonde junge Mann, der von sich selber sagt, dass er kein Moralapostel sei, möchte auf niemanden mit dem Finger zeigen. „Es ist doch jedem klar, dass Städte behindertengerechter werden müssen, aber das passiert nun mal nicht innerhalb von einigen Jahren.“

Moskau arbeite auf verschiedenen Ebenen an der Verbesserung von Infrastruktur und Lebensqualität, verlautete Marat Chusnullin, Vize-Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bauwesen, auf der Pressekonferenz des Moscow Urban Forum im Juli 2017. Das zeige sich beispielsweise am Bauprojekt der zweiten Metro-Ringlinie, die 2019 fertiggestellt werden soll. Dort seien nach Angaben der Stadtverwaltung auch Aufzüge eingeplant. Die Moskauer Metro möchte nämlich auch eine angenehme Umgebung für Menschen mit Behinderung schaffen.

Schlechter als London, besser als Paris

Wer hilfe in der Metro benötigt, kann eine entsprechende Hotline anrufen. /Foto: Katharina Lindt

Der 17-jährige Fedor Lysikow ist blind und findet das Fortbewegen im Untergrund der Stadt am angenehmsten, wenn er von einem Verwandten begleitet wird. Er hat nämlich Probleme bei unbekannten Routen, vor allem, wenn er umsteigen muss. Alternative öffentliche Verkehrsmittel wie Busse sind hingegen leichter in der Nutzung. Dennoch bewertet er die Moskauer Metro und deren Ausbau positiv. „Ich glaube, die Behörden versuchen, den Transport leichter zugänglich zu machen.“

Auch Rollstuhlfahrer wie Ewgenij Ljapin können die Metro nur eingeschränkt nutzen. Sie haben die Möglichkeit, manche Stationen mit dem Fahrstuhl zu erreichen. Jedoch muss vor Reiseantritt eine Nutzungsgenehmigung eingeholt werden. Auf der einen Seite ist das ein sehr hilfreiches System, auf der anderen Seite schränkt es ein. „Ich kann nicht selbstständig und spontan entscheiden, ob und wann ich mit der Metro fahren will.“

Alte Linien besitzen aus Gründen des Denkmalschutzes und der zu tiefen Schächte gar keine Fahrstühle. Diese Stationen sind nur mithilfe entgegenkommender Mitmenschen erreichbar. „Wie in London“, wirft Anna Bitowa ein, Direktorin des Zentrums für Heilpädagogik in Moskau. Dort sind 50 von 270 Stationen barrierefrei. Moskau schneidet mit 28 barriefreien Haltestellen von 206 sogar besser ab als Paris, wo es gerade mal neun von 303 Stationen sind. Bitowa ist optimistisch. „Es wird langsam besser.“

Sandra Laudenschläger

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