Russische Fluggesellschaften verwirren mit Billigtarifen

In Russland erleben derzeit viele Urlauber schon beim Einchecken in ihren Flieger Turbulenzen. Ohne es zu ahnen, haben sie im Internet einen abgespeckten Tarif gebucht und müssen nun fürs Gepäck draufzahlen. Das ist dann die Quittung dafür, dass sich große Fluggesellschaften wie Billigheimer benehmen.  

Von Tino Künzel

Als „Aeroflot“ im Herbst 2014 seine Tochter „Pobeda“ an den Start brachte, schien das eine gute Nachricht für den Markt und vor allem für die Kunden zu sein. „Pobeda“ ist eine Billigfluggesellschaft, die Tarife ab 999  Rubel anbietet. Das hätte dafür sorgen können, dass mehr oder weniger regelmäßig Tickets zum Schnäppchenpreis verfügbar sind und dass Fliegen insgesamt billiger wird, weil die Etablierten nachziehen müssen. Das ist so allerdings nicht eingetreten. Zwar sind die alteingesessenen Fluggesellschaften dem neuen Mitbewerber tatsächlich gefolgt, jedoch nur beim Service. Und da „Pobeda“ in der Regel kaum günstiger ist als die Konkurrenz, dafür aber für zahlreiche gewohnte Inklusivleistungen zur Kasse bittet, haben die Kunden insgesamt eher verloren als gewonnen.

Bereits im Winter und im Frühjahr haben drei der fünf größten russischen Fluggesellschaften neue Tarife eingeführt, die das Billigfliegermodell kopieren. Weil aber die meisten Passagiere nur hin und wieder ein Flugzeug besteigen, machen zahlreiche Russen erst diesen Sommer auf dem Weg in den Urlaub unschöne Erfahrungen mit dem Kleingedruckten auf ihrem Ticket und schimpfen in Internetforen über eine Praxis, mit der sie bei „klassischen“ Anbietern nicht gerechnet hatten.

Bei S7 ist die Gepäckmitnahme nicht mehr generell kostenlos. / rabstol.net

Bei S7 ist die Gepäckmitnahme nicht mehr generell kostenlos. / rabstol.net

Zu den Fluggesellschaften, die ihr Tarifsystem renoviert haben, gehört „Sibir“, als S7 im Luftverkehr unterwegs, hinter „Aeroflot“ die Nummer zwei am russischen Himmel. Im neuen Basis-Tarif der Economy-Klasse inbegriffen ist nur Handgepäck, Taschen und Koffer bis 23 Kilo kosten happige 2000  Rubel (etwa 27 Euro) extra. Auch die Platzwahl ist nur noch gegen Aufpreis möglich. Das Ticket kann nicht umgetauscht und nur kostenpflichtig geändert werden.

Ähnliche Bedingungen gelten beim „Light“-Tarif von UTair und beim „Promo“-Tarif von Ural Airlines. UTair hat für drei von vier Economy-Tarifen sogar die kostenlose Verpflegung an Bord abgeschafft.

Die Fluggesellschaften selbst verkaufen die gestaffelten Preise als Dienst am Kunden, der nur noch das kauft, was er auch braucht, zumal auch Inklusivtarife weiterhin im Angebot sind. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass auf den in Russland meist langen Strecken tatsächlich eine nennenswerte Nachfrage nach dem Fliegen ohne Gepäck bestanden hat. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass es sich in Wahrheit um eine versteckte Preiserhöhung handelt. Speziell für Kunden, die ihre Tickets bei Online-Händlern buchen, ist ohnehin schwer einsehbar, dass sich der angezeigte, scheinbar attraktive Preis auf einen Tarif mit zahlreichen Einschränkungen bezieht. Das böse Erwachen folgt häufig erst am Schalter.

Gut möglich, dass sich die genannten Fluggesellschaften nicht nur wegen des durch „Pobeda“ verschärften Kampfes um Marktanteile auf das Niveau von Discountern begeben haben, sondern auch wegen der generell schwierigen wirtschaftlichen Lage. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres gingen die Passagierzahlen in Russland weiter zurück und fielen nach Angaben der Luftfahrtbehörde Rosawiazija um 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahrszeitraum. Dabei betrug das Minus auf internationalen Strecken sogar 25,6 Prozent. Das konnte durch ein Plus von 8,6 Prozent im Inlandsverkehr nur teilweise aufgefangen werden.

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