Sammeln für die Seele: Tipps für eine erfolgreiche Pilzjagd

Michail Wischnewskij ist der bekannteste Pilzexperte Moskaus. Der MDZ verrät er, warum Pilze sammeln in Russland ein Volkssport ist, welche Schwammerl im Oktober und November wachsen, und wo man sie finden kann.

Zwischen Moos und Wurzeln: Pilze lieben kühle und schattige Plätzchen, auch der Steinpilz. /Foto: flickr/Olli Henze.

Eigentlich ist es gar nicht so lange her, dass Menschen angefangen haben, Pilze zu essen. Vor rund 2000 Jahren begannen unsere Vorfahren Schwammerl nicht nur als Medizin zu nutzen, sondern auch als Nahrung. Als sich erste Siedlungen formierten und es zu Fleischknappheit kam, suchten sie nach Alternativen. Auch die Christianisierung tat ihr Übriges zur Popularisierung von Speisepilzen. Zur Fastenzeit aßen Christen vermehrt Pilze. Seitdem sind die Köstlichkeiten aus dem Wald aus der heimischen Küche nicht mehr wegzudenken.

Rund 500 000 Arten von Pilzen gibt es auf der Welt, schätzen Mykologen, so nennt man Wissenschaftler, die sich mit Pilzen beschäftigen. Doch nur ein Bruchteil davon ist für den Kochtopf vorgesehen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts sammelten Menschen nur drei Arten von Pilzen: Steinpilze, Milchlinge und Reizker. Doch irgendwann waren diese Pilzarten überpflückt, weshalb Sammler auf andere Sorten ausweichen mussten. So erweiterte sich stetig das Wissen über essbare Pilze. Heute gibt es in Russland rund 450 bekannte Arten.

Genaugenommen sind Pilze keine Pflanzen, sondern Organismen, die mit den Tieren verwandt sind. Sie sind zur Fotosynthese, der Prozess bei dem Kohlendioxid in Sauerstoff umgewandelt wird, nicht selbst fähig. Also bilden sie ein eigenes Reich.

Pilze als Volkssport

Pilze sammeln ist Balsam für die Seele, sagt Michail Wischnewskij. Er ist der bekannteste Pilzexperte Moskaus, Autor zahlreicher Bücher und Inhaber des Standes „Gribnoje Mesto“ auf dem Danilowskij-Markt. Dass Russen diese Aktivität so lieben, liegt an ihrer Geschichte. Der Ursprung geht auf die Oktoberrevolution zurück. Damals wurden im gesamten Land staatliche Verarbeitungsstellen von Pilzen gebaut, um der Lebensmittelknappheit Herr zu werden.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg dienten sie als Hauptnahrungsmittel. Einen erneuten Boom erlebte die Pilzjagd in den 90er Jahren, als „das Essen aus den Regalen verschwand und Leute für Essensmarken anstehen mussten.“ Der Hunger trieb die Massen in den Wald. Als Resultat kam es zu Massenvergiftungen, denn die Menschen pflückten alles, was essbar aussah. „Später, als sich die Lage normalisierte, entwickelte sich das Sammeln zu einer Gewohnheit und einer willkommenen Erholung vom Stress in der Stadt“, sagt Wischnewskij.

Und so fahren am Wochenende viele Moskauer mit Körben und Messern gewappnet in den Wald. Beim Anblick von üppigen Steinpilzen im Moos, saftig gelben Pfifferlingen, und rötlichen Reizkern hüpft das Herz eines Russen höher.

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Pilz-Hotspots

Pilze sind gesund. In ihnen stecken Mineralstoffe und Vitamine. Sie können aber auch Giftiges aus dem Boden in sich aufsaugen. Laut Wischnewskij empfiehlt es sich nicht, die Schwammerl im Umkreis von zehn Kilometer des Moskauer Autobahnrings zu sammeln, obwohl es sie im Nationalpark Lossinyj Ostrow und im Bitzewskij Park gibt. Aktuell wachsen auch Champignons in der Stadt. Doch davon soll man lieber die Finger lassen. „Da bekommt man das ganze Periodensystem ab. Am besten fährt man 50 Kilometer weit weg“, sagt Wischnewskij, denn der Wald sei ein guter Filter.

Besonderes reich an Pilzen sei die Gegend in Richtung Swenigorod, im Westen von Moskau gelegen. Auch im Süden, Richtung Kaschira, gebe es optimalste Bedingungen. Generell wimmle es nur so von Pilzen in russischen Wäldern. Europäische Wälder sind dagegen ärmer, meint der Experte. Allein in Deutschland stehen viele Speisepilze unter Artenschutz.

Saftige Pfifferlinge gibt es im Norden von Moskau. /Foto: flickr/Espen Klem.

Zeit zum Pflücken

Pilze sammeln kann man das ganze Jahr. Jeden Monat gibt es Pilzsorten, die Saison haben. Jetzt im Oktober kann man Ritterlinge, Trichterlinge, aber auch Steinpilze und Pfifferlinge finden. Doch am Ende hängt es vom Wetter ab, ob es diese Pilze gibt. „Dieses Jahr war außergewöhnlich. Wir hatten einen winterlichen Sommer. Deshalb wachsen alle Pilze einen Monat später“, sagt Wischnewskij. Bis Ende Oktober und in den November hinein haben Pilzenthusiasten Zeit, auf die Jagd zu gehen. Und wenn der erste Schnee fällt, gibt es immerhin Winterpilze wie etwa Seitlinge.

Trotz vieler Ratgeber sollten Neulinge nicht alleine aufbrechen. „Es gibt keine verlässliche Methode zu erkennen, ob ein Pilz giftig ist oder nicht“, verrät der Experte. Nur ein erfahrener Sammler kann das Wissen weitergeben.

Katharina Lindt 

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