Einer, der auszog, um in Hollywood Filme zu drehen

Nach Blockbustern wie „Die Frau des Zeitreisenden“ oder „Flightplan“ drehte Robert Schwentke nun einen Histrorienfilm, der beim German Film Festival in Moskau gezeigt wurde. Am Rande des Festivals sprach die MDZ mit dem Regisseur darüber, warum Filme über Gewalt oft in Schwarz-Weiß gedreht und Nazis meist von Deutschen gespielt werden.

Robert Schwentke beim German Film Festival in Moskau. /Foto: Coolconnections.

Herr Schwentke, der Zweite Weltkrieg ist ein besonderes Thema für Russland. Wie wurde Ihr Film „Hauptmann“, der in Deutschland erst im März anläuft, in Moskau aufgenommen?

Ich war noch nie in Russland. Die Fragen bei der Publikumsdiskussion hatten mich sehr beeindruckt, weil man deutlich spürt, dass hier sehr viel über den Faschismus reflektiert wird. Bis jetzt hatte ich noch bei keiner Vorführung so viele Gespräche, wie sich der Mensch in einem totalitären System verhält. Zwar spielt mein Film im Zweiten Weltkrieg, aber er ist leider auch heute relevant. Es geht ja auch um menschliche Dinge in meinem Film …

… und um unmenschliche Dinge.

Wir sind die einzige Spezies, die einen anderen Menschen als Feind empfinden kann. Warum ist das so? Ich versuche diese Frage nicht zu beantworten, aber ich glaube, dass man sich damit auseinandersetzen muss. Selbst wenn die Fähigkeit, andere zu verletzen, nicht zum Ausbruch kommt, sondern durch unsere Zivilisation unterdrückt wird, ist sie immer da und schlummert. Ich hoffe, dass der Film eine Prophylaxe sein kann.

In Hollywood drehen Sie Blockbuster. Warum sind Sie nach Deutschland zurückgekommen, um einen Film zu produzieren, der nicht für das Mainstream-Publikum gemacht ist?

Ich sehe mich nicht als Unterhaltungs-Filmemacher. Sondern nur als Filmemacher. Das beinhaltet auch mal Filme zu drehen, in denen es nicht nur darum geht, das größtmögliche Publikum zu unterhalten. Ich habe einen Thriller gedreht, dann eine Romanze, dann eine Komödie und so weiter. Das war immer mit Absicht, weil ich verschiedene Dinge ausprobieren wollte. Ich denke, jede Geschichte, die man erzählt, fordert eine bestimmte Art, wie sie erzählt werden will. Im Übrigen war es nie mein Traum, in Hollywood Filme zu machen. Das hat sich so ergeben.

Viele würden mit Ihnen tauschen.

Ich musste Geld verdienen. Nach zwei Filmen in Deutschland hatte ich große Schwierigkeiten, meinen dritten Film finanziert zu bekommen. Dann kam ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. Auch deswegen, weil ich glaube, dass Regisseure eigentlich viel zu wenig arbeiten. Das bedeutet auch, dass man nicht immer nur eigene Filme dreht, sondern das, was einem angeboten wird. Ich habe mich immer mit den Filmen, die ich gemacht habe, identifiziert.

Identifizieren Sie sich auch mit „Hauptmann“?

Ich war sehr überrascht, als ich feststellen musste, dass es eigentlich nur zwei Filme in Deutschland seit 1945 gibt, die aus der Täterperspektive erzählt sind. Es gibt viele Filme aus der Sicht der Opfer und aus der Sicht der Opposition, das ist richtig und gut so. Aber es muss eben auch welche geben, die aus der Täterperspektive erzählt werden. Die Fragen, die diese Perspektive aufwirft, sind beim Zuschauer ganz andere, als wenn ich auf der moralisch richtigen Seite bin, weil ich mich mit einem Charakter identifiziere, der das Richtige tut. Wir alle hoffen, dass wir mutig gewesen wären, aufzustehen und zu sagen, wir wehren uns gegen das, was hier passiert. Die Realität sah aber anders aus. Deshalb wollte ich einen Film über die dynamische Struktur des Nationalsozialismus drehen. Die dritte, vierte oder fünfte Reihe, über die es keine Filme gibt.

Krieg aus der Täterperspektive: „Hauptmann“ erzählt über die Gräultaten eines einfachen Gefreiten am Ende des Zweiten Weltkrieges. /Foto: Coolconnections.

In diesem Film gibt es auch keinen richtigen Helden, keine positiven Charaktere.

Die meisten Filme, die sich mit Gewalt auseinandersetzen, erlauben dem Zuschauer eine Art Hintertürchen, durch das er hinausschlüpfen kann. Bei Tarantino ist das Hintertürchen meistens der Humor. Wenn man den Zuschauer mit etwas konfrontiert, mit dem er sich lieber nicht auseinandersetzen möchte, würde er immer das Hintertürchen benutzen. Und es war mir ganz wichtig, dass dieser Film kein Hintertürchen hat. Für mich macht das den Unterschied zwischen einem Film, bei dem es um Gewalt geht und einem Film, der gewalttätig ist.

War es für die Schauspieler kein Problem, Nationalsozialisten zu spielen? Hier ist das ein großes Problem, denn russische Schauspieler wollen diese Rollen nicht. Meistens übernehmen diese junge deutsche Schauspieler.

Deutsche Schauspieler sind es leider gewohnt, im Ausland fast nur als Nazis eingesetzt zu werden. Es gab auch bei uns Leute, die gesagt haben: „Wir haben keine Lust, schon wieder einen Nazi zu spielen.“ Auch wir hatten einen Überwindungsprozess. Aber am Ende haben sie verstanden: So wurde der Zweite Weltkrieg in einem deutschen Film noch nie gezeigt.

Andrej Kontschalowskij hat in einem Film gesagt, dass es ekelhaft sei, über den Holocaust einen Farbfilm zu drehen. Warum ist der „Hauptmann“ schwarz-weiß?

Der „Hauptmann“ ist deshalb schwarz-weiß, weil es eine Anekdote über Martin Scorsese gibt, der für seinen Film „Raging Bull“ Farbtests gedreht hat. Nämlich die Szene im Ring, in der sich die Protagonisten prügeln und das Blut nur so spritzt. Er hat diese Tests seinem Freund Michael Powell, einem der größten und tollsten Regisseure überhaupt, gezeigt. Er sagte zu Scorsese: „Den Film kannst du nicht in Farbe drehen, weil die Zuschauer nicht in der Lage sein werden, am Blut vorbei zu gucken. Du musst den Film schwarz-weiß drehen, damit du die nötige Distanz kreierst, dass Leute das überhaupt angucken können.“ Das fand ich unheimlich intelligent und akkurat, was die Wahrnehmung des Zuschauers angeht.

Ist der Zweite Weltkrieg ein ewiger Stoff?

Wir werden diese Geschichten immer wieder erzählen, weil sie sich mit der Menschlichkeit und ihren Abgründen auseinandersetzen.

Das Gespräch führte Ljubawa Winokurowa.

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