Englischer Meister? Das machen Chelsea, die beiden Manchester-Klubs und Arsenal unter sich aus. Dachte man. Dann drehte mit Leicester City ein krasser Außenseiter, den niemand auf der Rechnung hatte, allen eine Nase und holte sich sogar vorfristig den Titel.
Russischer Meister? Können eigentlich nur ZSKA Moskau oder Zenit St. Petersburg werden, so wie schon in den vergangenen Jahren. Dachte man. Dann lehrte FK Rostow, im Vorjahr erst in der Relegation dem Abstieg entronnen, die Etablierten das Fürchten und hat nach 28 von 30 Spieltagen als Tabellenzweiter noch immer Chancen auf die Meisterschaft. Der Rückstand auf ZSKA, den Meister von 2013 und 2014 und amtierenden Vizemeister, beträgt lediglich zwei Punkte – und auch das nur, weil Rostow zuletzt ausgerechnet beim Vorletzten Mordowija Saransk strauchelte. Es war die erste Niederlage seit November.
Zwischenzeitlich hat das Team aus dem südrussischen Rostow am Don sogar mehrfach an der Tabellenspitze gestanden. Allein in diesem Frühjahr wurde das von Nationalcoach Leonid Sluzkij trainierte ZSKA zu Hause 2:0 geschlagen, Zenit 3:0, Lok Moskau, das auch noch Champions-League-Hoffnungen hegte, 2:1. Und so ist die Schlagzeile vom „russischen Leicester“ natürlich längst in der Welt, wenn auch einstweilen mit einem Fragezeichen versehen.
Nun mag die Sensation bescheidener ausfallen, ganz egal, wie die Saison endet. Schließlich ist die russische Premier-Liga eine, vielleicht sogar zwei Nummern kleiner als die englische Premier League. Der Vergleich hinkt auch in mancherlei anderer Hinsicht. Doch dass eine graue Maus des Fußballs plötzlich zum Raubtier wird, und nicht etwa nur im Pokal, an ein paar Abenden im Jahr, den Vereinen mit der dicken Brieftasche die Krallen zeigt, sondern über eine gesamte Spielzeit an den herrschenden Verhältnissen rüttelt, das ist dann doch ein gemeinsamer Nenner zwischen den beiden Provinzklubs aus England und Russland, den „Blauen“ und den „Gelb-Blauen“.