Staatshaushalt: Das teuerste Geheimnis des russischen Sparschweins

Der russische Staatshaushalt wird von Jahr zu Jahr geheimer. Eine aktuelle Anpassung führte dabei zu einem Rekord seit 1991. Selbst Duma-Abgeordnete tappen im Dunkeln – doch wozu die ganze Geheimniskrämerei?

2768165 29.12.2015 Здание Государственной Думы РФ на улице Охотный Ряд в Москве (по проекту архитектора Аркадия Лангмана). Наталья Селиверстова/РИА Новости

Das Staatsbudget mit 62 Milliarden Euro Geheimausgaben 2016 birgt Russlands teuerstes Staatsgeheimnis. Im Bild die Duma, wo das Budget bald verabschiedet wird / RIA Nowosti.

Hitzig sind derzeit die Debatten um den Haushaltsentwurf der nächsten drei Jahre, der kurz vor seiner Verabschiedung steht. Dabei blieb der Anfang des Monats vom Finanzministerium veröffentlichte Gesetzentwurf zur Änderung des laufenden Haushaltes fast unbeachtet. Doch eben genau der schrieb durch seine aktuelle Anpassung postsowjetische Geschichte.

Im Blickpunkt steht dabei der verdeckte Teil des Budgets, der letztendlich über 800 Milliarden Rubel (rund 11,8 Milliarden Euro) erhöht wurde. Nach der Anpassung fallen somit rund 24 Prozent der Gesamtsausgaben des Haushalts 2016 (rund 246 Milliarden Euro) unter das Prädikat „geheim“ – Rekord seit Zusammenbruch der Sowjetunion. Der Anteil des verdeckten Teils des Haushalts erhöhte sich seit 2009 – damals waren es zehn Prozent – konstant. Dies geht aus aktuellen Daten der Präsidenten-Akademie RANEPA und des Gaidar-Instituts hervor. Insgesamt hat der aktuelle Haushalt  neun „geheime“ und zwei „streng geheime“ Anhänge – und birgt das mit 62 Milliarden Euro wohl teuerste Geheimnis des Staates.

Selbst Abgeordnete mit Fragezeichen

Und in dieses werden selbst Abgeordnete nicht vollständig eingeweiht. „Man kann als Abgeordneter natürlich eine Anfrage stellen. Es wird jedoch nicht alles beantwortet“, so der Oppositionelle und ehemalige Duma-Abgeordnete Dimitrij Gudkow. „Vielleicht geht es um die Kulturförderung im Ausland. Vielleicht aber auch um andere Programme, welche die Regierung versucht zu verschleiern“, gibt Gudkow weiter zu bedenken.

Laut der Investigativ-Zeitung „Nowaja gaseta“ gehe es neben den Subventionen von Militärs auch um die Förderung russischer Kultur im Ausland und Geheimdienste. „Die verdeckten Ausgaben werden für die Waffenentwicklung und die Unterstützung der Geheimdienste verwendet. Aber ,Kultur‘ gibt es auch, nämlich die des FSB. Oder der Kulturpalast des nationalen Sicherheitsdienstes. Der FSB hat eigene Krankenhäuser, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen“, erläutert Jewgenij Gontmacher, Mitglied des Komitees für Bürgerinitiativen.

Auslöser für die Anpassung des verdeckten Budgets sind neben steigenden Kosten des Aufrüstungsprogramms bis 2020 für über 294 Milliarden Euro die Geheimdienste sowie die im April neu geschaffene Nationalgarde. Mit bis zu 70 Prozent machen Militärausgaben tatsächlich den Hauptteil der verdeckten Ausgaben des Staatshaushaltes aus. Der restliche Teil fällt unter Kommunales, Bildung, Sozialpolitik, die nationale Wirtschaft und sogar Kultur. Darunter zählen auch die Kosten für den Bau von Wohnanlagen für die nationalen Sicherheitskräfte, die Unterstützung militärischer Bildungseinrichtungen und Unternehmen sowie der Familien gefallener Soldaten.

Laut offizieller Erklärung werden die Rekordmittel vor allem dazu verwendet, um Darlehen zu decken und somit Zinszahlungen für die laufenden Kredite zu sparen. Zuletzt kommentierte Wirtschaftsminister Anton Siluanow Mitte Oktober die Anpassung des laufenden Haushaltes über 11,8 Milliarden Euro mit der „Begleichung offener Kreditprogramme“ des Verteidigungsministeriums. Zu den Hauptgebern gehören Sberbank und Binbank. Bis 2020 sollen die Schulden vollständig beglichen werden.

Budget geheimer als im Westen

Das Finanzministerium kritisierte die Aufstockung der Militärkosten nun in einer offiziellen Erklärung. So sei geplant, in Zukunft vollkommen ohne Absprache bis zu zehn Prozent der Militärkosten auf andere Haushalts-Bereiche umzuverteilen, um dem Trend entgegenzuwirken.

Beim „Open Budget Index 2015“ belegt Russland den elften Rang im internationalen Vergleich bezüglich der Haushalts-Transparenz. Allerdings sind die schwarzen Listen bei dem Rating, das mehr als hundert Staaten erfasst, nur eines von 120 Kriterien. Der Index wird jährlich vom amerikanischen Think-Tank „Center on Budget and Policy Priorities“ veröffentlicht wird. Angeführt wird das Rating von Neuseeland, Schweden, Südafrika und Norwegen. Ihre geheimen Ausgaben liegen anteilig unter drei Prozent – Russlands Geheimkosten-Anteil in Höhe von 24 Prozent ist im Vergleich zu westlichen Ländern also weitaus höher. Das belegt auch der Vergleich zum Anteil der Sonderausgaben am EU-Gesamthaushalt 2014 bis 2020. Denn der beträgt laut „Euractiv“ nur rund 1,3 Prozent. Das verdeckte Budget des Fünftplatzierten USA liegt bei etwa zehn Prozent.

Bevor der Gesetzentwurf zur Änderung des aktuellen Haushaltes Anfang Oktober veröffentlicht wurde, galt der Geheimkosten-Anteil im Vergleich zum Vorjahr noch als auf 18,5 Prozent reduziert: 2015 belief sich der Anteil der verdeckten Ausgaben im Haushalt noch auf 20 Prozent. Gemessen am Haushalt 2017 bis 2019 soll sich der Anteil verdeckter Kosten voraussichtlich auf etwas mehr als 18 Prozent belaufen. Doch eines verdeutlicht der neue Haushaltsentwurf für die kommenden drei Jahre bereits vor seiner nahen Verabschiedung: Die Regierung plant auch in Zukunft keinesfalls, am Militär zu sparen. So sollen die Ausgaben in diesem Bereich bis 2019 auf fast 30 Milliarden Euro hochgeschraubt werden.

Christopher Braemer

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